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Montag, 19. November 2007

Diskussionskultur

Spiegel Online feilt seit einiger Zeit an seinem Image. Dem zynischen, massenkompatiblen, auf Quote zielenden Journalismus hat die Redaktion ja schon seit längerem weitgehend abgeschworen - jedenfalls im Vergleich mit der seriösen Konkurrenz. Zunehmend traut sich die Redaktion auch, sich von der Tagesaktualität abzukoppeln und über den agenturhörigen Tickerjournalismus hinwegzusetzen, um selbst Themen zu setzen und Diskussionen in Gang zu bringen (mir fällt das immer besonders im Ressort Wirtschaft auf, welchen Mut zur Lücke die Kollegen beweisen).

Die Rolle des Chronisten genügt der Redaktion offenbar nicht mehr. Ganz offenkundig wollen die Kollegen von Spiegel Online die Probe aufs Exempel machen, ob sie tatsächlich Leitmedium und "Agendasetter" geworden sind; eine Rolle, die viele Fachleute dem Web-Angebot mittlerweile (zu Recht) zuschreiben.

Das zeigt sich vor allem in der durch Spiegel Online befeuerten Diskussionskultur wie gerade zwischen Gabor Steingart und Helmut Schmidt oder, Anfang des Monats, zwischen der Spon-Redaktion und Frank Schirrmacher.

Dieser Richtungswechsel ist insofern bemerkenswert als die meisten Konkurrenten nach wie vor auf News-Journalismus setzen, garniert mit ein paar tiefergehenden Analysen aus ihren gedruckten Mutterblättern. Und mutig ist es auch, da bisher jedenfalls die Fausregel galt, dass Journalismus im Internet in erster Linie aufgekratzte News-Junkies glücklich machen will, sich dem Infotainment verschrieben hat, die Bedürfnisse seichter Spaßvögel bedient oder schlimmstenfalls stumpfe Instinkte befriedigt.

So viel Respekt Spiegel Online für dieses Experiment - man möchte sagen: Operation am offenen Herzen - verdient: Ich gehe keine Wette drauf ein, dass sich die Strategie in Klicks und Werbung auszahlt. Wir sollten in den kommenden Monaten aufmerksam die IVW-Zahlen studieren...

Dienstag, 9. Oktober 2007

Video als Galerie

Bildergalerien, Pic-Shows, Fotostrecken bringen in den Redaktionen bekanntermaßen das Grundrauschen an Klicks. Und nicht wenige Chefredakteure auch seriöser Blätter halten ihre Redaktionen an, ordentlich für Bilder-Nachschub zu sorgen, damit die Excel- (und vor allem: IVW-)Statistik stimmt.

Bild.de zerhackt jetzt Videos und macht aus ihnen lange Fotostrecken. Der Plot - Prinz Harry schnupft Wodka - ist banal, aber vorzüglich zur Steigerung der Einschaltquote geeignet. Und darum geht es schließlich online (-;

Dienstag, 2. Oktober 2007

Biedersinn im Bundle

Ich kannte mal einen netten Pressesprecher von web.de, der mir oft erzählte, dass web.de auf dem Wege sei, ein ernsthaftes Nachrichtenportal zu werden. Sogar einen dpa-Mann habe man verpflichtet.

Der Pressesprecher ist nicht mehr da und die Ansage scheint Schnee von gestern zu sein - oder zumindest wird der dpa-Mann offenkundig unterjocht, wenn ich mir die Themenauswahl anschaue, die Tag für Tag auf diesem eigentlich wichtigen Portal zu sehen ist, das ich für seine E-Mail-Funktionen sehr schätze.

In der Nussschale finden sich hier alle Klicksäue, Seichtigkeiten und Quotenbringer, die gerade zum Instrumentarium einer gewieften Online-Redaktion zählen. Schlicht gestricktes Programm, sicherlich erfolgreich, wenn man über die fiesen Tricks der Billigflieger schreibt, die Rollenverteilung von Mann und Frau mit recht hanebüchenen, biederen oder misslungen ironischen Tipps (die von MensHealth stammen, was es nicht besser macht) und die mittlerweile nicht mehr ganz taufrische Berichterstattung voller Häme über die unvermeidliche Paris Hilton. Schade, dass ich aktuell auf der Homepage dieses wichtigen Groß-Portals weder etwas finde über Putins Finten, doch noch an der Macht in Russland zu bleiben. Oder über das Aufsehen erregende Buch von Joschka.

Liebe Kollegen aus den anderen Redaktionen: Was web.de liefert, ist leider der Stoff, aus dem die Klicks sind. Dieses populäre Sammelsurium - und das meine icht ernst - bringt Quoten, und macht jedes Angebot garantiert verwechselbar (-;

Dienstag, 31. Juli 2007

Beklagenswerte Fundsachen

Die heutige Homepage von web.de, immerhin eines der wichtigsten Portale Deutschlands, ist an Irrelevanz kaum zu überbieten. Sex sells, ich muss es immer wiederholen. Ganz vorne bei der Unterminierung klassischer Nachrichten-Tugenden, gewissermaßen Antipoden der Ausrichtung nach Relevanz, sind die verlegerisch ungebundenen Portale wie web.de und T-Online und Yahoo ja immer. Aber heute wird es besonders deutlich. Topgeschichten bzw. Aufmacher in den Screens in der oberen Bildschirmhälfte bei web.de sind heute: Immer mehr Deutsche gehen fremd, Immer mehr Veganer lehnen Sex mit Fleischessern ab. Wer mir jetzt Prüderie oder Lamento vorwirft und sagt, das seien doch lustige Meldungen, möge einen Blick auf die anderen Top-Storys werfen: Binsen wie "Entspannung hilft bei Stress", zweifelhafte Storys wie "Daniel Tammett kann sich 22.000 Ziffern merken" und die vollkommen unnötige singende Paris Hilton. Das ist also die Quintessenz eines Nachrichtentages. Diese beklagenswerte, quotenträchtige Nachrichtenauswahl können auch die als Feigenblatt erwähnten Brände auf den Kanaren nicht antagonisieren.

Freitag, 20. Juli 2007

Toter Harry Potter und blasse Nazis

1.) web.de fällt heute durch einen ganz besonders üblen Etikettenschwindel auf. Ich würde den gar nicht erwähnen, wenn er nicht ganz typisch wäre für die Klickschinderei, die uns so ärgert und die mein Kollege und ich in einem Gutachten für die Ebert-Stiftung identifiziert haben. Es werden angebliche Neuigkeiten versprochen und geheime Enthüllungen zur Frage, welches Ende Harry Potter im letzten Buch findet (Teaser: "Achtung! Nicht weiterlesen! Stirbt Harry Potter? Was wird aus seinen Freunden? Eine im Internet aufgetauchte angebliche Kopie des letzten Harry-Potter- Bandes nimmt den Ausgang vorweg") Und als Ergebnis - nichts, nur dünne Suppe, hohles Geplapper, Agenturen. Allerdings hat man vorher mindestens vier Klicks - inklusive handwerklich gut gemachtem - Teaser auf der Homepage generiert.

2.) Nazis ziehen immer. Das Reizwort Hitler bringt Klicks und in der Tat ist die Story auf Spiegel Online über die Marketing-Broschüren und Urlaubsprospekte, mit denen die Nazis versuchten, das Image Deutschlands in der Welt aufzupolieren, hochinteressant und gut. Bedauerlicher aber ist die anhängende Bildergalerie. Schlecht und laienhaft eingescannt mit Katalogrändern - als hätte ich es gemacht. Normalerweise sagen defensive Verlagsmanager immer, diese Form der Anmutung erhöhe die Authentizität. Ich mutmaße mal, woran es wirklich liegt. Es gibt nicht genug professionelle Scan-Kapazitäten, die die Redaktion nutzen kann. Nicht so professionell jedenfalls wie bei einer großen Zeitung oder einem Print-Magazin, das ein ähnliches Thema anders aufbereitet hätte. Ich kenne das noch von meiner Zeit bei der Wirtschaftswoche. Weil nicht genügend Grafiker für Online zur Verfügung standen, hatten wir auch lauter laienhafter Excel-Tabellen und armselige tiffs drin. Schade, dass es zwei Jahre nach meiner Online-Zeit bei der Wiwo beim Leitmedium - teilweise zumindest - offenbar ähnlich läuft.

Samstag, 9. Juni 2007

Gesellenstück zum G-8-Gipfel

Kollegen verschiedener Nachrichtensites haben mir erzählt, dass der G-8-Gipfel ihnen zum Teil Rekordeinschaltquoten gebracht hat. Das macht Hoffnung und könnte Ansporn sein, Klicks einzusammeln jenseits von Paris Hilton, Adolf Hitler und Lady Di!

Die Online-Medien haben beim G-8-Gipfel aber auch alles getan, um ihre Nachrichtenführerschaft unter Beweis zu stellen und in einer Aktualität, Dichte und Tiefe berichtet, die kaum mehr eine Zeitung erreicht und das Fernsehen schon gar nicht; allen voran Spiegel Online - mit dem offenkundigen Anspruch, diesmal ein multimediales Gesellenstück vorzulegen. Übrigens unter Ausnutzung aller möglichen journalistischen Spielarten und vor allem auch jener Formate, die in dieser Schönheit nur das Web bietet - vom guten alten Forum und der obligatorischen Pic-Show über interaktive Grafiken bis zu Video. Respekt. Viele der piefigen Zeitungsredaktionen mit ihren altbackenen Gipfel-Chroniken sollten zittern.

Donnerstag, 10. Mai 2007

Quiz bringt Klicks

Ich schätze die "Zeit", vor allem seit di Lorenzo sie modernisiert und den Staub rausgeschüttelt hat. Leider bedient sich das ansonsten aufgeräumte Internetportal derselben Taschenspielertricks, die alle anwenden, um ihre Klicks zu steigern. Heute auf der Homepage prominent platziert - ein Memory (-;

Bin gar nicht humorfrei. Und das eine oder andere Game gehört sicher zum Themenmix. Mich umtreibt nur, dass redaktionsferne Spiele/Bildergalerien/Wissenstests/Tools/Tarifrechner in den Internetredaktionen inflationär verwendet und stillschweigend vergötzt werden - nach dem Motto "Verschont die Leute mit Texten, Spiele bringen die Klicks..."

Kühne Behauptung? Überhaupt nicht. Haben wir über Monate untersucht...

"Noch erfolgreicher sind Gewinnspiele oder Rätsel. Virtuelle Adventskalender beispielsweise, die Dutzende Klicks erfordern, bis der Nutzer das richtige Törchen trifft, erweisen sich als Klickmaschinen und haben vielen Angeboten schon die Reichweite gerettet. Zur Klickkosmetik trägt daher im Alltag der Redaktionen der ausufernde Einsatz von Rätseln wie beispielsweise Sudoku bei. Solche Tests sind offenbar so erfolgreich, dass "Spiegel Online" im Herbst 2006 die "Rätselwochen" ausgerufen hat." (S. 65)

Ich weiß, ich ereifere mich immer wieder darüber und sage erstmal nix mehr dazu. Ceterum censeo Carthaginem esse delendam (-;

Freitag, 4. Mai 2007

Magie der Hitlisten

Wir haben behauptet, dass Klicks in den meisten Nachrichtenportalen unter anderem durch eine Flut an Hitlisten erzeugt werden und u. a. geschrieben:

"Die Orientierung am Massengeschmack bewirkt eine Uniformität der Websites. Texte drehen sich immer um dieselben Themenkomplexe (...) Diese Einheitlichkeit und Eintönigkeit der Präsentation geht einher mit einer Gleichförmigkeit der Textauswahl, die sichere Klickerfolge verspricht: (...) die 100 reichsten Menschen, die zehn schönsten Frauen, Nutzwert, Liebestipps, Bewerben – aber richtig, Fettnäpfchen beim Bewerbungsgespräch und Knigge in allen Varianten versprechen stabile Reichweitenerfolge, so dass diese Beiträge in allen Spielarten zu finden sind".

Willkürliche Kostprobe vom heutigen Abend: Prominente - das sind die 100 wichtigsten im Land, Die 100 einflussreichsten Personen der Welt, Webby Awards 2007: Gute Seiten, auch gute Seiten, Die drei beliebtesten Clubs

Solche Hitlisten sind immer Klickgaranten. Habe mich schon oft gefragt, warum die Rankings immer ganz oben landen im Klickmonitor, selbst wenn sie hanebüchen sind. Vermutlich, weil sie das vorgaukeln, was man dem Journalismus als Königstugend noch immer zuschreibt (und was unter Zeitdruck in den Redaktionen, der Last der detailverliebten und newsgetriebenen Tagesaktualität oder verbuscht in zu tiefer Fachkenntnis kaum mehr geschieht): Einordnung und absolute Gewissheit bieten.

Dienstag, 28. November 2006

Einschaltquoten

Man muss kein Fachmann sein, um zu wissen, dass auch auf journalistischen Internetportalen Themen kaum nach Wichtigkeit oder Relevanz ausgewählt und auf prominente Plätze gelegt werden, sondern überwiegend nach der zu erwartenden Einschaltquote. Da ähnelt das Web einer Boulevardzeitung. Was Erfolg bringt, dafür gibt es einen schönen Werkzeugkasten. Wichtig sind Reizwörter, Faktoren wie Sex, Prominenz, Hitlisten. Einen guten Beleg für diese These bringt aktuell Spiegel Online mit dem völlig belanglosen Bericht, wer denn die hässlichsten Beine habe. War vorhin unter den Aufmachern! Bringt eben Klicks.