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Mittwoch, 25. April 2007

Ist das Reichweitentool ein Mittel für den Leserdialog?

Professor Klaus Meier von der Uni Darmstadt rezensiert das Gutachten und kommt zum Schluss, dass wir mit der Studie zum Thema "Qualität im Netz" in alte Denkmuster verfallen: In seinem Blog heißt es: "Es ist ja richtig, dass der Boulevard im Online-Journalismus zugenommen hat und dass der ökonomische Druck auf Online-Redaktionen viele ungute Auswüchse hat. Aber das ist eben nur die eine Seite. Wie unsere Studie zur Verwendung der Klickzahlen in Online-Redaktionen zeigte, sind sich die Online-Journalisten der Gefahr weitgehend bewusst. Und: Diese Tools können auch zum Qualitätsmanagement eingesetzt werden (z.B. bei der Frage wie komplexe Themen am besten geteast werden können). Der Journalismus hatte ja traditionell keinen Kontakt zum Publikum, was Gotz und Langenbucher schon in den 60er Jahren mit dem wegweisenden Buch “Der missachtete Leser” kritisierten. Range und Schweins verfallen in die alten Muster: Das Publikum und seine Wünsche sind der Feind des guten Journalismus. Sinnvoller ist es, die Bedürfnisse des Publikums ernst zu nehmen und Quotentools reflektiert zur Optimierung des Qualitätsjournalismus einzusetzen. Leider gibt es in dem kulturpessimistischen Haudraufgutachten dazu kaum Hinweise."

Danke für die Kritik. Nur mit Kritik kommt man in eine ernsthafte Diskussion.

Ein genauer Blick auf die von Professor Meier benannte Studie zeigt folgendes Fazit:

"Fast alle Befragte betonen, es sei eine zu kurzfristige Strategie, würde man die Klicks durch eine verstärkt boulevardeske Ausrichtung hochschrauben wollen. Diese Einschätzung führen die Journalisten auf die Annahme zurück, dass sich das Publikum von Informationsmedien abwendet, wenn es sie als weniger seriös und glaubwürdig einschätzt. Der langfristige Erfolg einer Nachrichten-Website hängt demnach davon ab, dass Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufgebaut werden können."

Genau so sehen wir das auch. Und genau das differiert zum Status Quo!

Nun stellen sich folgende Fragen:

Warum ist heute ein Behördisch-Quiz Aufmacher bei Spiegel Online? Ist dies dem mündigen Klicken und der qualitativen Auswertung von Messinstrumenten wie Reichweitentools geschuldet? Kommt man so in einen Leserdialog?

Warum integriert die Süddeutsche Online heute ein Sommerreifen-Special mit Bildern aus Pirelli-Kalendern in den Header ihrer Site? Ist dies ein Fortschritt, der sich aus dem Leserdialog ergibt? Oder warum glauben Sie, steht das dort?

Warum hat n24 Online auf der Homepage ein Simpsons-Quiz und im Kontext ein Knut-Quiz?

Wenn man nun von alten Denkmustern spricht: Ist es denn das, was die Leser wollen? Ist das Leserdialog? Die Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung geht über die Kenntnisse des Verhaltens von Lesern weit hinaus. Sie ordnet das oben exemplarisch beschriebene Verhalten, das realiter auf den Startseiten stattfindet, in ein umfassendes Reichweiten- und Wahrnehmungsproblem und eine daraus resultierende Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit ein.

Die Klick-Quote allein für den Leserdialog zu halten und darauf zu vertrauen, dass Themen nicht nach Quote, sondern nach "Long Tail" gewählt werden, greift hier wiederum viel zu kurz. Das sind zudem Erkenntnisse, die die Redaktionen bereits vor etlichen Jahren vollzogen haben. Diese Lernkurve ist wenig hilfreich für die Zukunft, in der sich (teure) Redaktionen mit einer zunehmenden Medienvielfalt auseinandersetzen müssen.

Probleme und Fehlentwicklungen muss man beim Namen nennen dürfen - auch wenn dies für manche unbequem erscheinen mag. Besitzstandswahrer werden sich jedenfalls mit reinen Quoten keine qualifizierte Leserschaft erschreiben können. Das gelingt mit einer Qualitätsoffensive und dem Konzentrieren auf klare Kompetenzen. Und das dies unter ökonomischen Gesichtspunkten eine wachsende Aufgabe ist, lässt sich wohl kaum abstreiten. Oder?