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Montag, 7. Mai 2007

Rütteln am Denkmal der Zeitung II

Wahlen - wie jetzt die Präsidentschaftswahl in Frankreich - zeigen immer besonders dramatisch, welchen Bedeutungsverlust die Tageszeitung erlebt. Und wie überholt die Zeitung aus Papier als Trägermedium ist. Vor allem, wenn sie früh angedruckt wird und erst am Dienstag ausführlich über ein Ereignis berichtet, das online schon am Sonntag abend abgefeiert wurde.

Das übliche Fluchtargument in den Print-Redaktionen ist, dass die Zeitung dafür eine besondere Tiefe biete, Aspekte aus interessanten Perspektiven beleuchte und komplexe Themen wie Wahlen grafisch besonders ansprechend aufbereite.

Erstens stimmt das für die meisten Zeitungen angesichts knappen Personals und Zeitmangels in den überlasteten Redaktionen schon lange nicht mehr. Zweitens aber - wenn man ganz ehrlich ist - ist einer umfassenden Berichterstattung wie der in Spiegel Online - mit Flash-Karte, Porträt des Wahlgewinners, Bildergalerie - nichts mehr hinzuzufügen. Schlechte Aussichten für herkömmliche Zeitungen mit einem verbeamteten Redaktionsschluss - oder Munition für hochaktuelle Blätter wie Welt Kompakt, die erst um Mitternacht zumachen.

Wollen wir wetten, dass die meisten Zeitungen uns morgen eine altbackene Wahlberichterstattung präsentieren, so als gäbe es die Konkurrenz aus dem Web nicht?

Sonntag, 15. April 2007

Der gebildete Internet-Leser - weder sprunghaft noch unkonzentriert

Eine aktuelle Studie des Poynter Instituts für Journalismusforschung in Florida förderte jüngst überraschendes zutage: Ein in Redaktionen häufig verwendetes Vorurteil über Online-Leser ist hinfällig: Leser im Netz sind nicht sprunghaft oder weniger auf den Artikel konzentriert, den sie gerade lesen.

Zeitungsleser lesen im Schnitt zwischen 57 und 62 Prozent eines Textes. Bei Online-Geschichten sind es stolze 77 Prozent. Rund zwei Drittel der Online-Leser, die einen Artikel begonnen haben, lesen diesen auch zu Ende.

Texte auf redaktionellen Online-Portalen werden somit ausführlicher zu Gemüte geführt als in gedruckten Tageszeitungen.

In der Studie wurden je hundert Leser von vier Offline- und zwei Online-Portalen befragt und gestestet. Bei der Nutzung der entsprechenden Medien wurden vor allem Blickbewegung analysiert. Als Medien wurden zwei Tageszeitungen (St. Peterburg Times und Star Tribune Minneapolis) als Print- und Online-Ausgabe gewählt. Dazu kamen zwei Print-Ausgaben von Boulevard-Blättern.

Bei der Analyse der Blickbewegungen wurden sowohl online als auch offline zwei Arten von Lesern ausgemacht: Der methodische Leser, der einen Text von oben nach unten liest, Passagen wiederholt, nichts überfliegt und im Online-Bereich mithilfe Navigationselementen gezielt Texte ansteuert. Und der Scanner, der zuerst Schlagzeilen und andere Elemente überfliegt, Fotos oder andere Elementen betrachtet und nicht mehr zum zuerst Gelesenen zurückkehrt. Er liest Teile von Texten.

Die Vorgehensweise der Testpersonen steht übrigens fast im Gegensatz zu dem oben beschriebenen: Denn 75 Prozent der Print-Leser gehen sehr methodisch vor. Bei den Online-Lesern sind es lediglich 50 Prozent. Scanner oder Stöberer sind im Online-Bereich weitaus häufiger zu finden als bei gedruckten Zeitungen.

Dabei zeigen sich online bezüglich der gelesenen Textmenge zwischen methodischen Lesern (78 Prozent) und Scannern (77 Prozent) kaum Unterschiede. Bei Boulevard-Blättern lesen die "Methodischen" 66 Prozent der Texte, die Scanner nur 45 Prozent.

Weitere Hintergründe zur Poynter-Studie gibt es hier.