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Mittwoch, 25. April 2007

80 Prozent der Blogs sollen verseucht sein

Medienhandbuch.de berichtet unter Referenzierung auf computerwoche.de über eine Analyse eines Sicherheitsdienstleisters, dass Weblogs vor anstößigen Inhalten wie Pornographie, vulgären Ausdrücken, und Hasstiraden nur so strotzen. Computerwoche.de verwendet im Titel ein ganz tolles, leider aus der Mode gekommenes Wort dafür: "...mit Unflat überschwemmt". Der Auswertung des "Global Threat Report" nach wiesen im März 2007 rund 80 Prozent der Blog-Sites anstößige Inhalte auf. Um als anstößig eingestuft zu werden, reichte es allerdings, wenn eine Site ein einziges Posting mit einem vulgären Ausdruck enthielt. Werkkanon, das Blog, das ja den Finger in die Wunde von Reizwörtern auf redaktionellen Websites legt, würde demnach dazu gehören. So zieht Medienhandbuch.de denn auch den Schluss, man solle nur den Statistiken glauben schenken, die man selbst gefälscht hat.

Einer Einschätzung von Mathias Müller von Blumencron zufolge, immerhin Chefredakteur von Spiegel Online, liegt die Quote wertloser Blogs noch viel höher. Erinnert sei hier an sein Interview, das er der Redaktion von onlinejournalismus.de im Oktober 2004 gab und in dem es heißt: "... heutzutage muss eben alles Blog heißen. Dazu kommt, dass 99 Prozent der Blogs einfach nur Müll oder zumindest journalistisch einfach nicht relevant sind. Es handelt sich um eine interessante Entwicklung, die aber den Journalismus nicht grundsätzlich verändern wird." Fehleinschätzung. In der Realität bedrohen gute Blogs durchaus die redaktionelle Kompetenz. Zweieinhalb Jahre später gehören Blogs zum Recherchereservoir von Journalisten und stellen deren Glaubwürdigkeit gleich reihenweise in Frage.

Im Internet hat sich inzwischen eine riesige Grauzone um den Journalismus herum gebildet. Subsumiert wird der Boom von Weblogs und sozialen Netze bekanntermaßen unter dem Schlagwort „Web 2.0“. Dieser Begriff beschreibt Veränderung von Kommunikationsbeziehungen zwischen Website-Anbietern und Website-Nutzern. Die Nutzer erschaffen die Inhalte selbst oder erstellen sie im Kollektiv. Ob diese neuen Angeboten auch wirtschaftlich erfolgreich sind, muss sich erst noch zeigen. Ende 2006 beeindruckten sie in erster Linie durch ihre große Reichweite. Die Umsätze hielten sich in Grenzen.

Fast alle klassischen Medienunternehmen wollen auf den Zug aber inzwischen aufspringen, wie beispielsweise die BBC: Surfer sollen Texte, Musik und kleine Videos auf die BBC-Site stellen und austauschen. Von Spöttern wird das Projekt als BBC 2.0 bezeichnet. Auch der Nachrichtensender CNN fordert inzwischen seine Zuschauer auf, eigene Nachrichtenfilme zu erstellen und sie auf die eigens dafür eingerichtete Website CNN Exchange zu laden.

Die wachsende Beliebtheit neuer Übertragungsformen zeigt auch Auswirkungen auf die Online-Ableger der Printmedien in Deutschland. Vordergründig darin, dass Verlage sich der neuen Stilformen, insbesondere Weblogs, Videoblogs und Podcasts wie elektrisiert bedienen, im Bestreben, modern zu wirken. Zahlreiche Verlage betreiben redaktionell begründete Weblogs im Internet. Häufig allerdings ohne sich mit der Blogosphäre zu vernetzen, was den Sinn eines Weblogs ad absurdum treibt, hätte doch in diesem Falle ein klassisches Artikelformat gereicht.

Ein hoher Anteil der Blogger und Peer-to-Peer-Anbieter interpretiert wiederum die eigene Rolle als journalistisch, die Nutzer sind von einem Sendungsbewusstsein beseelt. Selbst wenn die meisten Blogger diesem Ansspruch nicht gerecht werden, ist nicht von der Hand zu weisen, dass den klassischen Medien durch die Akteure und Protagonisten der neuen Darstellungsformen (nicht nur zahlenmäßig) starke Konkurrenten erwachsen.

Redakteuren, Chefredakteuren und wird ein Teil ihrer Macht und Deutungshoheit genommen. So stellt der Medienwissenschaftler Norbert Bolz fest: „Wir beobachten derzeit eine Art Entthronung der Meinungsführer. Es gibt zwar noch jede Menge Kommentare und Meinungen, aber wir orientieren uns nicht mehr an Meinungen, sondern nur noch an Themen.“

Samstag, 21. April 2007

Klicks, Quoten, Reizwörter - Das Vorwort der Studie zum Blog

Klicks, Klicks, Klicks: Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung ist erschienen!

Als die Autoren für die Online-Site der Wirtschaftswoche arbeiteten, stellten sie sich häufig die Frage, ob es zwangsläufig hilfreich ist, die Einschaltquote einzelner Artikel im Minutentakt abrufen zu können. Denn dadurch offenbarten sich bittere Wahrheiten. Der schnöde Text einer Nachrichtenagentur, versehen mit einer schmissigen Überschrift, wurde lieber gelesen als viele mühsam recherchierte Wirtschafts-Analysen. Seichte Themen erbrachten stets höhere Einschaltquoten als gewichtige News. Eine Mailänder Modenschau – ergänzt um eine Bildgalerie und in viele Teile zum Weiterklicken filettiert – stach jeden seriös betitelten Wirtschafts-Artikel aus.

Staunend blickten die Autoren auf ihre Kollegen vom Leitmedium »Spiegel Online«. Deutschlands wichtigste Online-Redaktion erreichte ihre hohen Einschaltquoten eben nicht nur mit politischer Berichterstattung, sondern hob unbekümmert das Dschungelcamp oder Paris Hiltons Sex-Video auf die Homepage. Damals entstand die Idee, das Mediengebaren im Netz, die Jagd nach Klicks, zu dokumentieren.

Der Hintergrund ist ernst. Krawall- und Sensationsjournalismus und seichte Unterhaltung haben die auf Seriosität bedachte unaufgeregte Berichterstattung in den Hintergrund gedrängt. Boulevard und Information sind im Netz ein Bündnis eingegangen. So verwundert es nicht, dass der gedruckte »Spiegel« in seiner Titelgeschichte nach einem Jahr großer Koalition Bilanz zieht, während »Spiegel Online« gleichzeitig die Millionärsmesse in Moskau für aufmacherwürdig erachtet. Offenbar unter Billigung der mündigen Leserschaft: »Spiegel Online« jedenfalls ist erfolgreich. Fast alle Redaktionen ahmen das Modell mittlerweile nach, schreiben für die Spaßgesellschaft und bedienen sich lustvoll aus dem Werkzeugkasten des Edelboulevards.

Die Verfasser wollen sich nicht gemein machen mit jenen, die Entertainment im Journalismus per se verachten oder Unterhaltung als Synonym verstehen für Qualitätsverlust. Der Gegensatz von Information ist nicht Unterhaltung, sondern Manipulation und Fälschung. Doch wenn selbst Nachrichten, Faktenwissen und Börsenkurse einem Primat der Unterhaltung unterworfen werden, befindet sich der Qualitäts-Journalismus alter Schule in
ernster Gefahr.

Online-Redakteure sind Getriebene in diesem Spiel. Die Schlagzahl geben Unterhaltungsportale und Suchmaschinen vor. Das ist das Ergebnis jener Recherche, die die Autoren mehrere Monate lang durchs Internet und in zahlreiche Online-Redaktionen führte.

Im Ergebnis legen sie ein Gutachten vor, das Fehlentwicklungen im Online-Journalismus skizzieren und für Laien verständlich erklären soll, wie Internet-Redaktionen ticken. Die Verfasser halten es dabei mit Glotz und wollen mit der vorliegenden Studie die Schweigevereinbarung des »Positive Thinking« brechen. Es soll nicht länger das Diktum gelten: Lasst uns um Gottes Willen nicht durch die Prognose kritischer Entwicklungen verunsichern. Tatsächlich ist das Internet die »größte Bedrohung für den vertrauten Journalismus«.

Wenn der Online-Journalismus einem seichten Massengeschmack zum Durchbruch verhilft, wenn am Ende dieser Entwicklung formatierte, verwechselbare, gleichgeschaltete Nachrichten-Sites stehen, die sich überwiegend aus Agenturen speisen, so muss dies gesagt werden.

Die komplette Studie kann auf den Seiten der Friedrich-Ebert-Stiftung unter www.fes.de/medienpolitik/ abgerufen werden als PDF-Dokument. Wir freuen uns auf Eure Kritik und spannende Diskussionen hier im Blog!