Donnerstag, 10. Mai 2007

Quiz bringt Klicks

Ich schätze die "Zeit", vor allem seit di Lorenzo sie modernisiert und den Staub rausgeschüttelt hat. Leider bedient sich das ansonsten aufgeräumte Internetportal derselben Taschenspielertricks, die alle anwenden, um ihre Klicks zu steigern. Heute auf der Homepage prominent platziert - ein Memory (-;

Bin gar nicht humorfrei. Und das eine oder andere Game gehört sicher zum Themenmix. Mich umtreibt nur, dass redaktionsferne Spiele/Bildergalerien/Wissenstests/Tools/Tarifrechner in den Internetredaktionen inflationär verwendet und stillschweigend vergötzt werden - nach dem Motto "Verschont die Leute mit Texten, Spiele bringen die Klicks..."

Kühne Behauptung? Überhaupt nicht. Haben wir über Monate untersucht...

"Noch erfolgreicher sind Gewinnspiele oder Rätsel. Virtuelle Adventskalender beispielsweise, die Dutzende Klicks erfordern, bis der Nutzer das richtige Törchen trifft, erweisen sich als Klickmaschinen und haben vielen Angeboten schon die Reichweite gerettet. Zur Klickkosmetik trägt daher im Alltag der Redaktionen der ausufernde Einsatz von Rätseln wie beispielsweise Sudoku bei. Solche Tests sind offenbar so erfolgreich, dass "Spiegel Online" im Herbst 2006 die "Rätselwochen" ausgerufen hat." (S. 65)

Ich weiß, ich ereifere mich immer wieder darüber und sage erstmal nix mehr dazu. Ceterum censeo Carthaginem esse delendam (-;

Mittwoch, 9. Mai 2007

Spiegel Online boomt - finanziell

Spiegel Online wird in Zukunft vermutlich noch mächtiger, weil der Spiegel-Verlag massiv ins Internet investieren will - damit dürfte Spon den Abstand zur Branchenkonkurrenz weiter ausbauen. Und der ist ganz schön groß wie die neuen IVW-Zahlen zeigen.

Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lehnte sich der neue Spiegel-Geschäftsführer Mario Frank weit aus dem Fenster: "Wir werden massiv in den "Spiegel" und massiv ins Internet investieren. Weil wir glauben, dass der Printmarkt schrumpft - das ist seit Jahren so und betrifft nicht vorrangig den "Spiegel" (...) Aber es ist unübersehbar, dass es dort zurzeit kein Wachstum gibt. Im Internet ist es umgekehrt: Da explodieren die Zahlen, auch aufgrund des gesellschaftlichen Strukturwandels. Wer sich darauf nicht einstellt, der wird ein Problem kriegen. Wir nicht: "Spiegel Online" hat im ersten Quartal dieses Jahres sechzig Prozent mehr als im Vorjahr an Anzeigenumsätzen erzielt. "Spiegel Online" wird dieses Jahr einen größeren Anzeigenumsatz verbuchen als das manager magazin. Man müsste sich schon Augen, Ohren und Nase zuhalten, um diese Entwicklung zu verkennen."

Fundsache: Zeitung vs. Internet

Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG (und mein oberster Chef), Mathias Döpfner, hat davor gewarnt, Printmedien und Internet gegeneinander auszuspielen.
"Das Internet ist nicht die neue Zeitung", sagte Döpfner vorgestern in Hamburg. Es werde weder das Fernsehen noch die Zeitung ersetzen. Mit "exklusiven Neuigkeiten, eigenständigen Meinungen und einer eindringlichen Sprache" könnten Zeitungen ihre Stärken gegenüber dem Internet-Journalismus ausspielen. "Die Zeitung muss sich auf sich selbst, auf ihre Stärken besinnen, denn das Bedürfnis nach Orientierung wächst", sagte Döpfner.

Mit seiner Forderung hat Döpfner nicht ganz Unrecht. Leider erscheint es derzeit aber so, dass viele Zeitungen - angespornt durch Readerscan und das Schielen auf Klickstatistiken - genau den umgekehrten Weg beschreiten und die Einschaltquote und den Massengeschmack zum Maß aller Dinge machen... siehe unsere gerade erschienene Studie.

Im übrigen behaupten wir Printredakteure seit Jahr und Tag, dass genau das Bedürfnis nach Orientierung und Einordnung der Zeitung ihren Bestand garantiere. Was, wenn eines Tages ein kluges Nachrichten-Internetportal sich ebenfalls darauf besinnt, nicht nur auf Crap und Fun und Bildergalerien und Rätsel zu setzen? Dann wäre der angebliche USP der Zeitung futsch.

Dass die Nutzer das Bedürfnis nach Orientierung haben und (Print-)Journalisten zugestehen, ihnen dafür besonders probate Leitplanken zu bieten, hoffe ich zutiefst. Ich bin aber immer noch auf der Suche nach der ultimativen wissenschaftlichen Studie, die das belegt und die zeigt, dass jungen Lesern die aufgeladene und glaubwürdige Zeitungsmarke wirklich wichtiger für die schnelle Info ist als ein x-beliebiges Unterhaltungsportal. Für das Gegenteil gibt es leider mehr Studien und Beweise - siehe das kluge Buch von Philip Meyer: The Vanishing Newspaper.

Montag, 7. Mai 2007

Rütteln am Denkmal der Zeitung II

Wahlen - wie jetzt die Präsidentschaftswahl in Frankreich - zeigen immer besonders dramatisch, welchen Bedeutungsverlust die Tageszeitung erlebt. Und wie überholt die Zeitung aus Papier als Trägermedium ist. Vor allem, wenn sie früh angedruckt wird und erst am Dienstag ausführlich über ein Ereignis berichtet, das online schon am Sonntag abend abgefeiert wurde.

Das übliche Fluchtargument in den Print-Redaktionen ist, dass die Zeitung dafür eine besondere Tiefe biete, Aspekte aus interessanten Perspektiven beleuchte und komplexe Themen wie Wahlen grafisch besonders ansprechend aufbereite.

Erstens stimmt das für die meisten Zeitungen angesichts knappen Personals und Zeitmangels in den überlasteten Redaktionen schon lange nicht mehr. Zweitens aber - wenn man ganz ehrlich ist - ist einer umfassenden Berichterstattung wie der in Spiegel Online - mit Flash-Karte, Porträt des Wahlgewinners, Bildergalerie - nichts mehr hinzuzufügen. Schlechte Aussichten für herkömmliche Zeitungen mit einem verbeamteten Redaktionsschluss - oder Munition für hochaktuelle Blätter wie Welt Kompakt, die erst um Mitternacht zumachen.

Wollen wir wetten, dass die meisten Zeitungen uns morgen eine altbackene Wahlberichterstattung präsentieren, so als gäbe es die Konkurrenz aus dem Web nicht?

Sonntag, 6. Mai 2007

Lesenswert: Rütteln am Denkmal der Zeitschriften

Süddeutsche.de hat eine ganz bemerkenswerte Analyse zum Medienmarkt veröffentlicht, die allerdings aus der Feder der Redakteure von "Werben & Verkaufen" (Titelstory, Anm. v. Werkkanon) stammte. Anlass dafür war, dass Gruner + Jahr plötzlich seinen Titel "Woman" eingestellt hat.

Einige Zitate aus der Story, die auch die Ergebnisse unserer Studie exemplarisch untermauern:

"Der Nachwuchs (jüngere Zielgruppen, Anm. v. Werkkanon) liest zwar, aber er tut es im Netz, eine Erfahrung, die beispielsweise auch Brigitte Young Miss machen musste. Als Printtitel rechnete sich das Blatt von Gruner + Jahr nicht mehr und wurde eingestellt. Im Internet aber führt es eine vitale Existenz."

Weiter heißt es, dass das Medium Online für die Werbewirtschaft einige Vorteile biete. Dazu zähle – neben der Messbarkeit – auch die durchlässige Grenze zwischen Inhalten und Werbung. Im Web könne Werbung völlig ungestört den Content beeinflussen, den User interessiere das wenig.

Und Medienwissenschaftler Norbert Bolz folgert in der W&V/Süddeutsche.de-Story: Es sei wichtig für die ,alten‘ Medien, sich auf ihre eigenen Stärken zu besinnen“. Print-Magazine hätten den Vorteil, dass sie als Genuss-Medium fungieren könnten. „Wo Lesen Genießen ist, ist Online keine Konkurrenz.“

IDG-Gründer Pat McGovern bläst in dieser Hinsicht viel lauter ins Horn. Ebenfalls in einem Interview mit dem Branchenblatt "Werben & Verkaufen" heißt es: "Ich gehe davon aus, dass der Online-Bereich schon 2009 bis zu 50 Prozent des Gesamtumsatzes (des IDG-Verlages, Anm. v. Werkkanon) ausmacht. Print wird dann auf etwa 35 Prozent abgesunken sein."

Dass der Online-Markt noch gewaltige Wachstumsmöglichkeiten hat, zeigt sich, wenn man das momentan aufgewendete Werbebudget ins Verhältnis zur Zahl der Online-Nutzer setzt. Der Anteil an der Mediennutzung beträgt 14,6 Prozent, der Anteil am Werbekuchen nur 8,7 Prozent. Der Online-Vermarkterkreis im BVDW wertet dies als immenses Potenzial und prognostiziert, dass die Werbeausgaben innerhalb von kurzer Zeit aufschließen werden. Aussagekräftiges Zahlenmaterial hat der Online-Vermarkterkreis jüngst in seinem Periodikum zusammengestellt: Seite 9f., PDF.

Wenn Printler plötzlich Online entdecken

Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen.

Die zur Axel Springer AG gehörende Zeitungsgruppe Welt/Berliner Morgenpost hat vor rund einem Jahr eine Online-Offensive proklamiert und vor einem halben Jahr eine „Online first“ per Pressemitteilung ausgerufen. „Als erstes großes Zeitungshaus bündelt Axel Springer Print und Online in einer Redaktion und schafft damit zugleich die größte integrierte Zeitungs- und Online-Redaktion Deutschlands“, verkündete das Medienhaus vor Jahresfrist. Der mit der Leitung betraute Welt am Sonntag Chefredakteur Christoph Keese rechtfertigte diesen Schritt: „Moderne Medien sind erfolgreich, wenn sie ihre Leserinnen und Leser über alle Kanäle erreichen, die technisch verfügbar sind.“

So weit - so richtig, wenn dies denn vernünftig vorbereitet und durchgeführt wird.

Online-Angebote werden heute häufig entweder unter direkte organisatorische Führung von Print-Mannschaften gestellt oder von bewährten Führungskräften aus den Printredaktionen geleitet. Die Verlagsleitung verspricht sich davon die Einheitlichkeit des Markenauftritts, eine bessere Zusammenarbeit mit der Printredaktion, eine höhere Kompetenz bei der Einordnung von Nachrichten sowie Einsparungen. Die neuen Strategien der Verlage zielen auf eine engere Zusammenarbeit von Online und Print ab. Gute Gründe, doch hapert es oft in der nachhaltigen Umsetzung.

Die Verzahnung von Print und Online wirft neben kürzeren Wegen auch Probleme auf; insbesondere wenn unter Federführung von Printredakteuren konkrete Handlungsanweisungen resultieren, die dem Online-Medium und der Redaktionsstärke nicht gerecht werden.

Wir hören aus zahlreichen Redaktionen, dass viele Führungskräfte Probleme damit haben, den mit neuen Features verbundenen Arbeitsaufwand realistisch zu antizipieren. Die Einteilung journalistischer Ressourcen und Schwerpunktsetzungen erfolgt vielfach vor dem Hintergrund bewährter Printerfahrungen.

Auf dieses Phänomen wird schon länger in der Forschung hingewiesen: „Das in den klassischen Massenmedien angesammelte Wissen über gut funktionierende Produktionsstrukturen und –werkzeuge reicht offenbar nicht aus. Sie lassen sich auf Online-Medien – das zeigen die Beobachtungen in den Redaktionen – offenbar nicht eins-zu-eins übertragen und müssen für dieses neuartige Medium erst gewonnen werden“, schreibt zum Beispeil BARTH 2004 - der Literaturhinweis ist unserer Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung zu entnehmen.

In vielen uns bekannten Redaktionen erheben Chefredakteure zunächst vergleichbare Forderungen, wenn Online unter ihre Aufsicht gerät. Artikel aus Print – vor allem solche, die nach vorherrschender Meinung als hochwertig angesehen werden – sollen online prominenter zugänglich gemacht werden. Printredakteure sollen stärker in die Online-Produktion einbezogen werden und vor allem exklusive Nachrichten mit kurzer Halbwertzeit direkt auf den Draht geben. Printredakteure sollen Weblogs schreiben.

Das ist grundsätzlich gut. Wenn es die Mitarbeiter nicht in vielen Teilen überfordert. Und: Wenn die Mitarbeiter ausreichend für das Online-Medium ausgebildet werden.

Viele eingangs formulierte Forderungen bleiben utopisch – oder erweisen sich als kontraproduktiv für die Entwicklung von Qualität und Reichweite. Viele Artikel, die Printredakteure als gehaltvoll empfinden, sind online entweder gar nicht und nur nach vorhergehender umfassender Überarbeitung verwendbar, etwa Sonderseiten mit vielen Grafiken, oder sie treffen nicht den Geschmack des Publikums.

Eigentlich sollten sich klassische Printler darüber freuen, zeigt dies doch, dass Online und Print komplementäre Medien sind und daraus resultierend eine gut gemachte und hintergründige, einordnende Zeitung auch morgen noch ihre Bestandsberechtigung hat.

In der Praxis richten die Redaktion ihre Kraft häufig auf Maßnahmen, die zur Verbesserung des Internetangebotes und zur Vergrößerung der Reichweite nur wenig beitragen. Ressourcen der Redaktion werden überdehnt.

Das Ansinnen, Printredakteure zum Schreiben im Online-Medium zu bewegen, vor allem Weblogs zu führen, bringt in 90 Prozent der Fälle weder in nennenswertem Umfang Leser noch Reputationsgewinn, doch demotiviert und belastet es viele Printredakteure. Der Arbeitsumfang wächst. Im Ergebnis resultieren lustlos geführte, inaktuelle Weblogs. Oder die Neuausrichtung kommt über Absichtserklärungen und Pilotprojekte nicht hinaus. Nichts halbes und nichts Ganzes, wie gepenstisch im Wochentakt geführte Weblogs zeigen...

Einige folgerichtige Schritte könnten hingegen den Medienstrukturwandel in Verlagen beschleunigen:

Warum werden Online-Ressortleiter nicht in die assoziierte Chefredaktion berufen, um dem angekündigten Strukturwandel glaubhaft Rechnung zu tragen?

Warum werden Weblogs als Einbahnstraßen genutzt? Viele Weblogschreiber stellen ihre Artikel ein und sehen ihren Job damit als erledigt an. Erst aus dem Feedback, dem Beantworten der Kommentare und dem gegenseitigen Verlinken aber gewinnen Blogs ihre Berechtigung und Werthaltigkeit. Ansonsten hätte man ja auch einen klassischen Kommentar auf die Website stellen und auf Leserbriefe warten können...

Werden Print-Redakteure ausreichend geschult und einbezogen? Inwieweit gibt es Schulungen für onlinegerechte Schreibe? Kurze, präzise Sätze, aussagekräftige Überschriften und all das, was an Lehrstühlen für Online-Journalismus gelehrt wird?

Dies gilt insbesonder für die Verantwortung für ein Weblog. Wenn Ihr Kommentare wollt, lasst die Kollegen Kommentare schreiben. Wenn Ihr Weblogs haben möchtet, so lehrt die Kollegen, dass sie damit in den permanenten Austausch mit dem Leser gelangen müssen, damit ihr Weblog glaubwürdig wird. Dass sie Kommentare ausführlich beantworten, einordnen und sich mit anderen Blogs verlinken müssen. Ansonsten laufen diese Formate ins Leere. Und damit wird auch die damit verbundene Kraft verschwendet, denn ein Blog schafft dann Relevanz und Reichweite, wenn es zu einer Diskussion führt.

Und im Rückschluss: Wer macht sich Gedanken, wie Themen crossmedial gespielt werden können, so dass das Nachrichtliche Online stattfindet, aber am Folgetag die Leser auf der ersten Zeitungsseite kein déjà-vu-Erlebnis erfahren, sondern ein Lesestück dargeboten bekommen, dessen Konsum in der gedruckten Fassung bei Brötchen und Kaffee einfach Spaß macht? Themen planen und Themen crossmedial setzen - diese Fähigkeiten sind gefragt. Das würde beiden Medien helfen, erfordert aber tagtäglich eine systematische Vorbereitung dieser Themenführerschaft und keinen Aktionismus.

Werkkanon sagt dazu: Lasst den Ankündigungen Taten folgen - aber so, wie man es auch bei der Einführung neuer Publikationen macht: Nach gründlicher Vorbereitung, mit schlüssigen Konzepten und mit Ressourcen, die dies auch bewältigen wollen und können.

PS: Konsequenzen, die zahlreiche Verlage bei ihrer Internet-Strategie vermissen lassen, zeigt auch Handelsblatt-Chefredakteur Bernd Ziesemer in seinem Weblog auf. Dort heißt es: "Mal verschleuderten die Verlage Millionen, mal waren „schwarze Zahlen“ im Internet-Geschäft das alleinseligmachende Ziel, mal stand das Internet ganz hinten an, mal verkünden alle vollmundig „Internet first!“ Konsequenz gab es leider selten." Zu lesen hier.

Freitag, 4. Mai 2007

Magie der Hitlisten

Wir haben behauptet, dass Klicks in den meisten Nachrichtenportalen unter anderem durch eine Flut an Hitlisten erzeugt werden und u. a. geschrieben:

"Die Orientierung am Massengeschmack bewirkt eine Uniformität der Websites. Texte drehen sich immer um dieselben Themenkomplexe (...) Diese Einheitlichkeit und Eintönigkeit der Präsentation geht einher mit einer Gleichförmigkeit der Textauswahl, die sichere Klickerfolge verspricht: (...) die 100 reichsten Menschen, die zehn schönsten Frauen, Nutzwert, Liebestipps, Bewerben – aber richtig, Fettnäpfchen beim Bewerbungsgespräch und Knigge in allen Varianten versprechen stabile Reichweitenerfolge, so dass diese Beiträge in allen Spielarten zu finden sind".

Willkürliche Kostprobe vom heutigen Abend: Prominente - das sind die 100 wichtigsten im Land, Die 100 einflussreichsten Personen der Welt, Webby Awards 2007: Gute Seiten, auch gute Seiten, Die drei beliebtesten Clubs

Solche Hitlisten sind immer Klickgaranten. Habe mich schon oft gefragt, warum die Rankings immer ganz oben landen im Klickmonitor, selbst wenn sie hanebüchen sind. Vermutlich, weil sie das vorgaukeln, was man dem Journalismus als Königstugend noch immer zuschreibt (und was unter Zeitdruck in den Redaktionen, der Last der detailverliebten und newsgetriebenen Tagesaktualität oder verbuscht in zu tiefer Fachkenntnis kaum mehr geschieht): Einordnung und absolute Gewissheit bieten.

Donnerstag, 3. Mai 2007

Sex sells...

Stern.de hat heute eine Glanzleistung vollbracht. Eva Longoria - Von Fesselspielen und String-Tangas titelt die Redaktion in der Rubrik Lifestyle und Reise. Die von DPA übernommene Meldung fördert sodann auch unglaublich Überraschendes zutage:

Bald werde der "Desperate Housewives"-Star heiraten.

Okay, das mag eine Nachricht sein.

Nun habe sie einer Zeitschrift erzählt, wie sie sich das Sex-Leben in der Ehe vorstelle.

Das verspricht Spannung pur.

Sie lasse sich gern mit Seidentüchern festbinden, sagte die 32-Jährige der Meldung zufolge dem People-Magazin "InTouch".

Mannomann. Das ist ja mal neu und ausgefallen. Wahnsinn.

Um für ihren Zukünftigen sexy zu bleiben, trage sie ausschließlich String-Tangas. Sie besitze keine einzige Unterhose mit Rückseite.

Vielleicht sollte sich die Dame mal einer professionellen PR-Agentur anvertrauen, die ihr erzählt, dass das seit fünf Jahren 85,79 Prozent aller Frauen so machen und dass das daher nicht sooooo ganz besonders innovativ ist?

Aber weiter, gleich kommt's bestimmt:

Angetan sei Eva Longoria abgesehen von ihrem Verlobten von George Clooney und Johnny Depp.

Spätestens da haut's einen doch völlig vom Hocker.

Leute, Leute, wenn schon eine Meldung, die ein so dermaßen dünnes Süppchen ist, dann macht die doch wenigstens durch zwei spannende weitere Abschnitte etwas schmackhafter, in denen Ihr noch ürgendwat Spannendes dranrecherchiert.

Ach übrigens: Knut geht es gut, denn das Eisbärbaby hat jetzt auch bei den Öffentlich-Rechtlichen seine virtuelle Heimat gefunden.

Mittwoch, 2. Mai 2007

Mal wieder Politik auf Spon

Spiegel Online begleitet die französischen Präsidentschaftswahlen mit einem schönen Livestream des Fernsehduells, einem interaktiven "Ted", bei dem man die Argumente der Kandidaten bewerten kann und einer - etwas dünnen, aber lobenswerten - Einordnung durch einen Journalisten. Im Prinzip gut! Das können Zeitung und Fernsehen so nicht. Hier spielt das Web seine Stärken aus.

Leider - sicher um die wegbrechenden Quoten wegen der Frankreich-Wahl zu kompensieren (-; - auch wieder eines dieser unvermeidlichen Ratespiele auf einem Aufmacherplatz, diesmal geht es um das weitgehend sinnfreie Überflieger-Quiz.

Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, ist ja beinahe einer unserer Evergreens: Wissenstests aller Art sind einer der Stützpfeiler der Newsportale, um Klicks zu generieren. Wirkungsvoll, bisweilen etwas hohl. Das Phänomen haben wir auch mit einem extra Kapitel bedacht in unser Studie für die Ebert-Stiftung.

"Selbst ohne aktuellen Anlass, ziehen Redaktionen gern zeitlose und irrelevante Meldungen auf einen Aufmacherplatz – bloß um das angehängte Quiz prominent einführen zu können. Sie betreiben also Reichweitenmanagement statt Themenführerschaft zu verfolgen." (S. 66). Quod erat demonstrandum.

Focus Online postet auf Twitter.com

Linkspam für Relevanz der eigenen Site oder intelligenter Kanal? Die Meldungen von Focus Online erscheinen neuerdings auch auf Twitter.com. Die Pressemitteilung dazu gibt's hier.

Die Nutzer des Dienstes schreiben dort - zumeist in Wort- oder Satzfetzen, was sie gerade umtreibt. Auch New York Times und BBC News vertreiben dort ihre Schlagzeilen.

Nachtrag: Der Aktionismus, der aktuell einige Redaktionen umtreibt, wird sehr treffend beschrieben im Ad-hoc-Blog von Julius Endert... Enjoy!