Donnerstag, 13. Dezember 2007

Verdrängungswettbewerb statt Crossmedialität?

Viel diskutiert ist die Frage, ob Online-Medien klassische Medien verdrängen oder ersetzen. Spannende Aussagen finden sich heute in einem Bericht des Branchendienstes de.internet.com Nachrichten-Sites drängen demnach die Lektüre von Tageszeitungen deutlich zurück. So die Einschätzung von Experten, die im Magazin Medien & Kommunikationswissenschaft befragt wurden. Je stärker die Nutzungszunahme von Online-Nachrichten in einer Altersgruppe sei, desto gravierender folgten Einbußen der Tageszeitungen.

Besonders stark betroffen sind laut dem Bericht die Alterssegmente der 25- bis 34-Jährigen und der 35- bis 44-Jährigen. Das prognostizierte Ergebnis: Online und Print laufen nicht parallel oder ergänzen sich gar, sondern machen einander zunehmend Zuwendungsressourcen streitig. Das verwundert nicht, denn im Wettstreit um den Leser ist die wichtigste Ressource einfach begrenzt: Zeit. Insofern wird sich künftig die Frage stellen, ob klassische Medienanbieter ausreichend wirtschaftliche Power haben und Bereitschaft, sich im Netz der Fülle von Konkurrenten zu stellen, die ebenso Zugang zu Lesern haben, aber weitere nutzwertige Dienste anbieten, wie z.B. E-Mail oder Social Networking. Gut beraten scheint jeder, der sich mit diesen Diensten investierend auseinandersetzt. Insofern überrascht etwas, dass die sueddeutsche.de ihr sued-café erst einmal etwas zurückzufahren scheint.

Lesegold und als solches zu empfehlen ist zu dieser Diskussion ein SpOn-Bericht von Christian Stöcker. Obwohl sich ja einige recht einig sind, dass das Papier ja per Definition viel solider ist als das Internet.

Montag, 10. Dezember 2007

Das Internet ermöglicht Aufholjagden

Ich finde es betulich, wenn Leute das Internet als "neues Medium" bezeichnen. Nein, das Internet ist nicht neu, sondern im Medienkanon so etabliert wie Radio, Fernsehen und die Zeitung. In einem Punkt aber ist das Internet tatsächlich weniger verkrustet und erstarrt als andere Medienmärkte, sogar spannend: Es ermöglicht rasante Aufholjagden.

Zu sehen diesen Monat in der IVW-Statistik. Da tut sich nämlich was. Welt Online ist jetzt - gemessen nach Page Impressions - die größte Website einer überregionalen deutschen Qualitätszeitung. Mit anderen Worten: Die Welt (übrigens, nur zur Klarheit und Vermeidung von Interessenkonflikten, auch mein Arbeitgeber, aber im Print) hat erst FAZ und jetzt knapp die Süddeutsche überholt. Laut IVW erreicht die Welt im November mit 106,5 Millionen PIs einen neuen Rekord und hat die Seitenabrufe seit Beginn des Jahres mehr als verdoppelt. Bei den Visits liegt die SZ noch vor der Welt...

Wenn man bedenkt, wie und wo die Welt vor Beginn ihrer Online-Offensive 2006 rumkrauchte - dann muss man sagen: Erstaunlich, welche eindrucksvollen Wachstumsstorys das Web ermöglicht; unabhängig davon, ob man im Einzelfall alle klicksteigernden Kniffe begrüßt. Mal sehen, ob die Site die vielen Klicks auch in Erlöse verwandeln kann.

Mittwoch, 5. Dezember 2007

Wir fordern eine Entschuldigung von Mathias Müller von Blumencron

Zum Ende eines Jahres werden die Menschen harmoniebedürftig. Alle? Nein nicht alle. Spiegel Online-Chef Mathias Müller von Blumencron erhebt in der Zeitschrift „Journalist“ 12/2007 auf Seite 59 in der Geschichte „Der neue Hype“ von Thomas Mrazek schwere Vorwürfe gegen die Autoren Steffen Range und Roland Schweins. Er ärgert sich noch immer über die im April veröffentlichte Studie „Klicks, Quoten, Reizwörter: Nachrichten-Sites im Internet“. Der Ärger muss groß sein.

„Ich betrachte dieses Gutachten als eine Polemik“, sagt von Blumencron.

Damit können wir gut leben. Ziel des Gutachtens war es, auf Missstände hinzuweisen. Polemik bedeutet Streitkunst, im Altgriechischen ist Polemik ein literarischer oder wissenschaftlicher Streit. Und wissenschaftlich fundiert ist die Studie über Online-Journalismus nun einmal - vielleicht ist es das, was die Sache für Herrn von Blumencron so ärgerlich macht. Was dann folgt, können wir allerdings so nicht akzeptieren:

„Die Autoren haben schlecht recherchiert“, sagt von Blumencron. Beispiele für diesen Vorwurf führt er allerdings nicht an. Kein einziges.

„Zudem stütze sich die Untersuchung auf veraltete Quellen aus den Jahren 2001 und 2003“, wird er zitiert.

Lieber Herr Müller von Blumencron: Wenn Sie so etwas behaupten, dann sollte diese Anschuldigung auch richtig sein und stimmen. Ist sie aber nicht – Ihre Behauptung ist falsch. Wir helfen Ihnen gern und haben einmal unsere Quellen nachgezählt. Drei Quellen stammen aus dem Jahr 2001, neun Quellen referenzieren auf Artikel aus dem Jahr 2003. Vierzig Quellen aber stammen aus dem Jahr 2006. Dazu kommen weitere 20 Screenshots als Primärquellen - alle aus dem Jahr 2006. Sechs Screens davon mit Beispielen von Spiegel Online. Aber von Ihrer Falschaussage einmal abgesehen ist es nicht verwerflich, wenn man in einer wissenschaftlichen Studie auch Standardwerke zugrunde legt, wie etwa die Ausführungen von Glotz, Meyer-Lucht oder Quandt.

Also bitte: Erst lesen, dann Behauptungen in renommierten Magazinen aufstellen.

Schließlich sagt von Blumencron: „Es ist eine Unterstellung, dass uns nicht an Qualität, sondern an Klicks liegt“. Lieber Herr von Blumencron: Wenn Sie diese Zeilen lesen, stehen Sie wahrscheinlich in Ihrem Office an Ihrem Stehpult. Und wenn Sie Ihren Blick einmal nach links an Ihre Wand richten, dann hängen dort nicht etwa die Geschichten Ihrer Redakteure, die Sie für exzellent befunden haben, sondern Charts mit Vergleichskurven mit Pageimpressions und Visits von Spiegel Online und den relevanten Wettbewerbern.

Wir freuen uns auf Ihre Entschuldigung – auch unsere Türen stehen immer offen.

PS: Dem geneigten Spiegel-Leser empfehlen wir heute Aufmacher Nummer fünf, der sich mit dem Thema auseinandersetzt: Porno-Talk bei Maischberger - Sex, die anstrengendste Sache der Welt

Dieser Artikel hat es gewiss aufgrund seiner Relevanz so hoch auf Ihre Website geschafft und bestimmt nicht deswegen, weil er vielleicht ganz gut geklickt wird ;-)



Spiegel Online vom 5.12.2007: Die wichtigsten Themen des Tages sind eher seicht

Samstag, 1. Dezember 2007

Unvermeidliches Lotto

Schade, unlängst dachte ich noch, ein paar Klicksäue aus der Früh- und Mittelzeit des Internet wären mittlerweile ausgestorben. Mitnichten. Sie leben noch und sind putzmunter.

Außer den unvermeidlichen Eskapaden von Britney Spears und Paris Hilton und Kate Moss gibt es noch ein Thema, bei dem fast alle - durchaus auch seriöse - Online-Medien Kopf stehen: Lotto.

Wenn immer der Jackpot eine gewisse Schwelle, sagen wir 20 Millionen Euro, übersprungen hat, überschlagen sich die Websites in ihrer Begeisterung - und betreiben im Dienste des nächsten Klicks einen geradezu liebevollen Aufwand. Der Spiegel erfreut uns mit einem harmlosen kleinen Quiz, das auf der Startseite mit Bildchen angekündigt wird. Die Welt fragt sich, was man mit 38 Millionen Euro machen kann - und hägt eine hübsche Batterie an Links, Umfragen, Foren etc. an. Web.de geht dem "Lotto-Fieber" auf den Grund. Und Tippscheine ausfüllen kann man auch im gut erreichbaren Umfeld des Artikels.

Lotto bringt Quote. Und die Orientierung am Massengeschmack bewirkt eine Uniformität der Websites. Texte drehen sich immer um dieselben Themenkomplexe, die den Lesern in immer neuen Erscheinungsformen präsentiert werden. Diese Einheitlichkeit und Eintönigkeit der Präsentation gehen einher mit einer Gleichförmigkeit der Textauswahl, die sichere Klickerfolge versprechen: Lotto, die 100 reichsten Menschen, die zehn schönsten Frauen, Bewerben – aber richtig, Fettnäpfchen beim Bewerbungsgespräch und Knigge in allen Varianten versprechen stabile Reichweitenerfolge, so dass diese Beiträge in allen Spielarten zu finden sind.

Wie wenig originell diese Form der Lotto-Berichterstattung ist, zeigt ein flüchtiger Blick in die Chronik. Vor Jahresfrist elektrisierte das Thema Lotto offenbar ebenso, zum Teil wurden sogar dieselben Ratespiele angeboten. Durchzulesen in unserer Studie für die Ebert-Stiftung (im Anhang Screenshot 14 bis 17).

Donnerstag, 22. November 2007

ARD und ZDF glauben an das Internet

ARD und ZDF haben nach Angaben der Gebührenkommission KEF in Online zu viel Geld gesteckt. Die ARD hat demnach in der laufenden Gebührenperiode 0,84 Prozent für ihr Online-Angebot ausgegeben, beim ZDF waren es 0,9 Prozent und beim Deutschlandradio 0,81 Prozent. Pikant daran: ARD, ZDF und Deutschlandradio haben offenbar gegen ihre Selbstverpflichtung verstoßen, nicht mehr als 0,75 Prozent der Gebühreneinnahmen für Online auszugeben. Das berichtet jedenfalls "Die Zeit".

Ich halte den Bericht für glaubwürdig. Wenn man bedenkt, wie selbstbewusst ARD-Cheflobbyist Fritz Raff gerade auftritt und wie sich die Öffentlich-Rechtlichen gerade im Web positionieren, wäre das nur logisch.

Ich bin - im Gegensatz zu manchen Kollegen - der Meinung, dass den Privaten, vor allem den Verlagen, sehr wohl große Gefahr droht, wenn ARD und ZDF im Netz richtig aufdrehen. Fast überall in der westlichen Welt dominieren TV-Sender im Netz das News-Geschäft, warum nicht auch in Deutschland?

Erstens befriedigen ARD, ZDF und vor allem DLF aus Sicht kluger Köpfe das Bedürfnis nach sachlich-nüchternen und seriösen Nachrichten, sie sind einfach weniger anfällig für Paris Hilton, Britney Spears und Knut, weil sie keine Banner verkaufen (und damit Quoten erzielen) müssen. Zweitens haben sie das Bildmaterial, von dem wir Printleute träumen. Und ihre Übermacht wird umso deutlicher, je mehr Bildnachrichten wir Zeitungsleute produzieren, um den Wünschen des Publikums und den Möglichkeiten wachsender Übertragungsgeschwindigkeit nachzukommen. Die Sprecher von ARD und ZDF haben jene angenehmen sonoren Stimmen, die man bei vielen unserer rustikalen, näselnden, dialektalen Podcasts schmerzlich vermisst. Von Erfahrungen mit Nachrichtenpräsentation und Bildschnitt ganz zu schweigen.

Wäre ich ein Verleger, würde ich alles daran setzen und mir jede Hilfe holen, um die Öffentlich-Rechtlichen in ihren Web-Aktivitäten zumindest zu behindern und einzudämmen. Aus Sicht des qualitativ hochwertigen Journalismus tut Wettbewerb gut.

Mittwoch, 21. November 2007

Anne Will liebt Frauen

Zu Anne Wills homosexueller Beziehung wollte ich eigentlich schweigen. Im Grundsatz ist das ihre Sache. Und bezogen auf unser Thema, den Qualitätsjournalismus: Einerseits, weil es auf der Hand liegt, dass das Coming-out einer so prominenten Person ausgeschlachtet wird bis zum Geht-nicht-mehr (darüber zu schreiben wäre reichlich unoriginell). Andererseits, weil auf jetzt.de dazu alles gesagt wurde.

Umso erstaunlicher, dass das Mutterschiff sueddeutsche.de den erbärmlichen Nachklapp heute zu einer der Spitzenmeldungen macht. Sicher nur wegen des gefühlvollen und empathischen Ansatzes des Berichterstatters und nicht wegen der Quote.

Montag, 19. November 2007

Nivea macht Werbung, Lokalzeitung in Gefahr

Nivea macht eine Weihnachtswerbekampagne im Internet, zum Beispiel bei Spiegel Online. Das ist keine Fußnote, das ist ein weiterer Vorbote. Wenn die Hersteller von Konsumgütern das Internet fest ins Herz schließen, dann wird es gefährlich für die Zeitungen, vor allem für regionale Blätter. Dann wird nämlich richtig viel Geld ins Web umgeschichtet. Geld, das den Zeitungen dann fehlt. Wenn man ehrlich ist, hängen ganz viele Zeitungen am Tropf ganz weniger Elektromärkte, Discounter und Möbelhäuser. Die Gefahr ist also groß.

Haben wir damals auch in unserer Studie angedeutet, dass dies ein - jedenfalls in Chefetagen von Regionalzeitungen - unterschätztes Problem ist. Es zeichnet sich ab, dass Anzeigenkunden künftig nur noch tatsächlich angeklickte Werbung bezahlen. Gleichzeitig werden die Preise für Werbung im Netz generell sinken. Der aus der Printwelt überlieferte Tausender-Kontaktpreis wird über kurz oder lang verschwinden. Leidtragende sind diejenigen Medienhäuser und Verlage, die große Redaktionsapparate mit Hilfe von Werbeeinnahmen refinanzieren müssen, aber mit ihren Nachrichtensites nur eine geringe Reichweite erzielen.

Diskussionskultur

Spiegel Online feilt seit einiger Zeit an seinem Image. Dem zynischen, massenkompatiblen, auf Quote zielenden Journalismus hat die Redaktion ja schon seit längerem weitgehend abgeschworen - jedenfalls im Vergleich mit der seriösen Konkurrenz. Zunehmend traut sich die Redaktion auch, sich von der Tagesaktualität abzukoppeln und über den agenturhörigen Tickerjournalismus hinwegzusetzen, um selbst Themen zu setzen und Diskussionen in Gang zu bringen (mir fällt das immer besonders im Ressort Wirtschaft auf, welchen Mut zur Lücke die Kollegen beweisen).

Die Rolle des Chronisten genügt der Redaktion offenbar nicht mehr. Ganz offenkundig wollen die Kollegen von Spiegel Online die Probe aufs Exempel machen, ob sie tatsächlich Leitmedium und "Agendasetter" geworden sind; eine Rolle, die viele Fachleute dem Web-Angebot mittlerweile (zu Recht) zuschreiben.

Das zeigt sich vor allem in der durch Spiegel Online befeuerten Diskussionskultur wie gerade zwischen Gabor Steingart und Helmut Schmidt oder, Anfang des Monats, zwischen der Spon-Redaktion und Frank Schirrmacher.

Dieser Richtungswechsel ist insofern bemerkenswert als die meisten Konkurrenten nach wie vor auf News-Journalismus setzen, garniert mit ein paar tiefergehenden Analysen aus ihren gedruckten Mutterblättern. Und mutig ist es auch, da bisher jedenfalls die Fausregel galt, dass Journalismus im Internet in erster Linie aufgekratzte News-Junkies glücklich machen will, sich dem Infotainment verschrieben hat, die Bedürfnisse seichter Spaßvögel bedient oder schlimmstenfalls stumpfe Instinkte befriedigt.

So viel Respekt Spiegel Online für dieses Experiment - man möchte sagen: Operation am offenen Herzen - verdient: Ich gehe keine Wette drauf ein, dass sich die Strategie in Klicks und Werbung auszahlt. Wir sollten in den kommenden Monaten aufmerksam die IVW-Zahlen studieren...

Dienstag, 30. Oktober 2007

Die Verlage machen sich Mut

Die Zeitungsverleger machen sich Mut und verweisen auf eine brandneue Studie, nach der die meisten Deutschen (78 Prozent) die gedruckte Zeitungen angeblich für unverzichtbar halten. Ferner sind 81 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass die klassischen Printmedien ihre Bedeutung gerade für Hintergrundinformationen und tiefergehende Analysen behalten werden.

Das klingt wie aus einem Neujahrsbrief der Chefredaktion - und ist doch nicht mehr als die übliche Selbstbeschwörungsformel. Denn mal ehrlich - welche Zeitungen bieten tatsächlich Hintergrundinformationen, die über das profunde Angebot von Spiegel Online, sueddeutsche.de oder Welt Online hinausreichen? Am Trägermedium Papier liegt es wohl kaum.

Ich weiß, ich weiß... als nächstes kommt das Argument, dass niemand am Frühstückstisch ein Laptop zum Zeitunglesen aufklappen will und dass Papier so schön raschelt (-;

Fakt ist aber doch, dass möglicherweise zwar Dreiviertel der Deutschen Zeitungen für ein unverzichtbares Kulturgut halten, doch das heißt eben noch lange nicht, dass sie sich auch Zeitungen kaufen. Es mag sein, dass die Zeitung schön raschelt am Frühstückstisch. Wenn aber der Zeitung die wirtschaftliche Basis entzogen wird, sind dann in 15 Jahren die verbleibenden vier oder fünf Millionen deutschen Tageszeitungsleser bereit, um der Haptik willen fünf, sechs oder neun Euro für eine gedruckte Ausgabe zu zahlen?

Da fällt mir ein schönes Wort von Peter Glotz ein: "Zu lange wurde angenommen, die Tageszeitung habe qua ihres kulturellen Mandats auch eine Art Bestands- und Bedeutungsgarantie. Doch es hat wenig Sinn, so zu tun, als könnte man Qualitätszeitungen als Kulturinstitutionen definieren, die den Gesetzen des digitalen Kapitalismus entzogen wären, sozusagen als Stiefgeschwister der Theater."

Dienstag, 9. Oktober 2007

Video als Galerie

Bildergalerien, Pic-Shows, Fotostrecken bringen in den Redaktionen bekanntermaßen das Grundrauschen an Klicks. Und nicht wenige Chefredakteure auch seriöser Blätter halten ihre Redaktionen an, ordentlich für Bilder-Nachschub zu sorgen, damit die Excel- (und vor allem: IVW-)Statistik stimmt.

Bild.de zerhackt jetzt Videos und macht aus ihnen lange Fotostrecken. Der Plot - Prinz Harry schnupft Wodka - ist banal, aber vorzüglich zur Steigerung der Einschaltquote geeignet. Und darum geht es schließlich online (-;

"Zeit"-Chefredakteur hält Print für zukunftsfähig

Interessante Einlassung von Zeit-Chefredakteur di Lorenzo - er sieht eine Zukunft für Print und verweist auf den Erfolg seiner "Zeit", die bei guter Rendite 22 Quartale in Folge die Auflage gesteigert habe.

Noch spannender ist, was er im "Focus" über seine Branchenkollegen sagt. Ihn schmerze, "dass es in Deutschland Verleger und Verlagsmanager gibt, die den Eindruck erwecken, als sei Print nur noch eine Art Übergangsmedium". Das sei schon in der Sache falsch, aber auch ein "merkwürdiges Marketing". "Noch haben wir die Situation, dass wir Online finanzieren. Da sollten wir die Blätter nicht schlechtreden."

Er lädt weiter durch und zweifelt, ob Online tatsächlich ein primär journalistisches Medium werden könne. Und belebt die längst überwunden geglaubte Diskussion von der Kannibalisierung Print-Online wieder, die vor Jahren Springer-Chef Döpfner und der frühere T-Online-Vorstand Holtrop schon einmal angezettelt hatten. (Ohne Erfolg). Lorenzo warnt vor einer Strategie, "unsere kostbaren und kostspieligen Inhalte" kostenlos im Internet zu verbreiten.

Seine Analyse stimmt in vielen Punkten. Zu Recht sät er Zweifel daran, dass das Online-Medium primär an journalistischen Qualitätskriterien ausgerichtet ist. Es ist per se markt- und massenpublikumsorientiert, und damit nicht zwangsläufig journalistischer Qualität im konservativen oder dogmatischen Sinne zugewandt. Auch trifft seine Feststellung zu, dass viele Chefredakteure und kaufmännische Leiter in führenden Verlagen Print für ein fast totgerittenes Pferd halten und aus dieser Einschätzung auch keinen Hehl machen.

Andererseits argumentiert di Lorenzo aus der komfortablen Position des Wochenzeitungsjournalisten. Am Bestand professionell gemachter Wochenzeitungen und Magazine, die sich entweder an eine Avantgarde (Zeit, Geo, Mare) oder an Couch-Potatoes (Goldenes Blatt) wenden, hat doch nie jemand gezweifelt! Für diese Publikationen und ihre Zielgruppen bietet das Web keine oder nur unzureichende Alternativen.

Tageszeitungen dagegen spenden di Lorenzos Äußerungen keinen Trost. Für sie ist es drei vor zwölf; ihnen ist das Alleinstellungsmerkmal gegenüber gut gemachten Online-Newsportalen abhanden gekommen.

Montag, 8. Oktober 2007

Mehr und mehr Online-Werbung

Die "Welt" meldet: Online-Werbung steigt 2007 auf Rekordhoch.

Im Vergleich zu 2006 wächst der Werbeumsatz auf Websites laut einer von der "Welt" zitierten Studie noch einmal um zwei Drittel. Bereits nach drei Quartalen hat der Markt den bisherigen Rekord eingestellt. Als hilfreich für die Werbenden erweisen sich Videoportale wie YouTube und MyVideo...

Trefflich ließe sich jetzt darüber diskutieren, wer die Nutznießer dieses unbestreitbaren Trends zur Umschichtung der Werbebudgets ins Web sind.

Die Verlage und Zeitungshäuser werden sich sicherlich gestärkt fühlen, auf ihr wieder erwachtes Engagement im Online-Medium verweisen und, wie üblich, die angebliche Kraft ihrer Marke und den vermeintlichen Vertrauensvorschuss bei den Lesern ins Felde führen. So toll die Wachstumsraten bei der Online-Werbung sind - es wird schwer, auf Dauer große Verlagsapparate zu unterhalten, wenn auf der anderen Seite die Erlöse im Printgeschäft wegbrechen.

Also Wasser in den Wein: Die Aufschlüsselung am Jahresende wird uns zeigen, dass sich das größte Stück des Online-Werbekuchens nach wie vor die großen Unterhaltungsportale schnappen. Aber, um positiv zu schließen (-; ein paar abfallende Krümel reichen auch locker aus, um kleine und schlanke Weblogs und Nischenportale zu finanzieren.

Samstag, 6. Oktober 2007

Seichtes Tralala oder traurige Wahrheit

Wohin steuert das Web? Qualitätsjournalismus oder verbrämte PR und seichtes Tralala? Dass wir uns gerade an einer Weggabelung befinden, ist hinlänglich bekannt und - auch an dieser Stelle - herausgearbeitet. Welche beiden Konzepte sich unversöhnlich gegenüberstehen, lässt sich exemplarisch am Beispiel der Malediven aufzeigen.

Da gibt es einen qualitativ hochwertigen Artikel, der auf Spiegel Online zu lesen ist. In diesem Text ist eben nicht nur von schneeweißem Sand die Rede, sondern auch von einem abscheulichen Diktator, der den Archipel mit harter Hand und einem Überwachungsapparat regiert. Erstaunlicherweise und erfreulicherweise steht die kritische Reportage im Reiseressort. Bezeichnenderweise kommt dieser Text übrigens aus einem Printmagazin (Mare).

Und dann gibt es auf web.de die übliche Leier von den tollen Atollen der Inselgruppe im indischen Ozean, deren Hotels Luxus pur bieten. Dieser Text samt Bildergalerie ist eingebettet in ein anzeigenfreundliches Umfeld.

Und genau dieser Umgang mit den Malediven verdeutlicht, dass der Web-Journalismus an einer Scheidemarke angelangt ist. Für Spiegel Online und web.de ist die Sache klar.

Viele andere Redaktionen dagegen irrlichtern gerade und wissen nicht, ob sie sich für den seichten Musikantenstadl-Journalismus entscheiden sollen, der den Lesern Wahrnehmungsenergie erspart, oder der Qualitätsjournalismus, der den Blick über den Tellerrand ermöglicht, aber dem Konsumenten mehr Kraft und Konzentration abverlangt.

Mittwoch, 3. Oktober 2007

Galerie schlägt Tabelle

Habe ein Ranking auf stern.de entdeckt, das mich als Wirtschaftsjournalist besonders interessiert. Eine Übersicht, wer am meisten verdient im Aufsichtsrat. Sehen wir mal ab davon, dass wir das Thema so ähnlich vor Monaten schon in der "Welt am Sonntag" hatten. Aber egal, eine immer wieder spannende Gehaltstabelle der Chefkontrolleure. Leider ist es eben keine Tabelle, sondern eine Bildergalerie. Die Darbietungsform ist legitim, aber Leser-Verirrung. Und dazu noch eine, die nicht sonderlich benutzerfreundlich ist, sondern etwa auf meinem recht normal eingestellten Monitor immer wegspringt.

Theoretisch betrachtet ist die Redaktion von stern.de doppelt geschickt: Superlativ trifft Fotostrecke. Reizwörter und Superlative sind die eigentlichen Klick-Magnete. Dazu kommt: Zehn Artikel wiegen nicht die Reichweite einer hoch frequentierten Bildergalerie auf.

Also? Lieber ein tüchtig zerhacktes Ranking als ein vielleicht zweigeteilter Text mit Übersicht, sagt sich (auch) stern.de. Online-Redaktionen denken halt nicht nur an den Leser, dem mit einem schlichten Text samt Tabelle mehr geholfen wäre.

Dienstag, 2. Oktober 2007

Überdrehter Teaser

Noch ein kleiner Nachtrag, es geht um den Text "Hurra, hurra, die Weltmeister sind da" auf stern.de, in dem die Jubelfeier für die Fußball-Weltmeisterinnen beschrieben wird. Fällt mir nur auf, weil es ein klassischer überdrehter Teaser ist, ein Vorspann, der mehr Interesse weckt als der Text inhaltlich hält.

Versprochen wird mir:

"Die deutsche Frauen-Fußballnationalmannschaft kann besser schießen und köpfen als tanzen und singen. 20.000 Menschen bereiten dem alten und neuen Weltmeister auf dem Frankfurter Römer trotzdem einen begeisternden Empfang. Der Festakt im Kaisersaal bietet allerdings auch einige wenige weltmeisterliche Erscheinungen."

Puh, was erwarte ich für Abscheulichkeiten jetzt, was für Orgien, verkorkste Metaphern, peinliche, alkoholgeschwängerte Reden, kniggefeindliches Betragen. Was ich dann lese, ist das betuliche Protokoll eines durchschnittlichen Events mit laut Bericht offenbar mediokren Akteuren. Da hat die Redaktion in mustergültigem, und von uns im neben stehenden FES-Gutachten beschriebenen Sinne überdreht in ihrer Ankündigung. Hat gewirkt. Ich habe geklickt.

Biedersinn im Bundle

Ich kannte mal einen netten Pressesprecher von web.de, der mir oft erzählte, dass web.de auf dem Wege sei, ein ernsthaftes Nachrichtenportal zu werden. Sogar einen dpa-Mann habe man verpflichtet.

Der Pressesprecher ist nicht mehr da und die Ansage scheint Schnee von gestern zu sein - oder zumindest wird der dpa-Mann offenkundig unterjocht, wenn ich mir die Themenauswahl anschaue, die Tag für Tag auf diesem eigentlich wichtigen Portal zu sehen ist, das ich für seine E-Mail-Funktionen sehr schätze.

In der Nussschale finden sich hier alle Klicksäue, Seichtigkeiten und Quotenbringer, die gerade zum Instrumentarium einer gewieften Online-Redaktion zählen. Schlicht gestricktes Programm, sicherlich erfolgreich, wenn man über die fiesen Tricks der Billigflieger schreibt, die Rollenverteilung von Mann und Frau mit recht hanebüchenen, biederen oder misslungen ironischen Tipps (die von MensHealth stammen, was es nicht besser macht) und die mittlerweile nicht mehr ganz taufrische Berichterstattung voller Häme über die unvermeidliche Paris Hilton. Schade, dass ich aktuell auf der Homepage dieses wichtigen Groß-Portals weder etwas finde über Putins Finten, doch noch an der Macht in Russland zu bleiben. Oder über das Aufsehen erregende Buch von Joschka.

Liebe Kollegen aus den anderen Redaktionen: Was web.de liefert, ist leider der Stoff, aus dem die Klicks sind. Dieses populäre Sammelsurium - und das meine icht ernst - bringt Quoten, und macht jedes Angebot garantiert verwechselbar (-;

Dienstag, 4. September 2007

Bedeutet Evolution des Onlinejournalismus = Bürgerjournalismus?

Also wenn man liest, dass sich Redakteure künftig mit der 1:1-Kommunikation austoben sollen, so kommt man doch ins Grübeln. Braucht man dafür ausgebildete Redakteure, um mit Lesern zu chatten? Oder sind Redaktionen nicht auch weiterhin ein Massenkommunikator, wie ich kürzlich auf Handelsblatt.com geschrieben habe?

Ein Beitrag auf Readers Edition jedenfalls geht von dem Gegenteil aus. Demnach sei die Aufgaben der Redaktionen, die neuen Ressourcen (Blogs, etc.) zu nutzen, um mit Bloggern und Augenzeugen in Kontakt zu treten, die durch die neuen Technologien und das Internet eben doch oft viel schneller seien, als ein Reporter, der erst an die Stelle des Geschehens geschickt werden müsse.

Werkkanon sagt dazu: Abwarten, bis alle am chatten, bloggen und diskutieren sind und wer dann noch Zeit hat, seriöse Geschichten und Enthüllungen zu recherchieren und in angemessenem Sprachstil zu vermitteln. Es bleibt spannend.

Donnerstag, 9. August 2007

Heute wechseln wir mal die Seiten

Neben der Medienschelte gibt es auch Aktionen, wo man die Medienbetreiber und Redaktionen einmal richtig in Schutz nehmen möchte. Vor allem dann, wenn sie ungewollt vor ganz komischen Entscheidungen stehen: Momentan gehen in den Redaktionen Deutschlands päckchenweise Erotikartikel ein. Bestellt? Von wegen.

Eine PR-Aktion, die in jedem Fall die Redaktionen vor eine Frage stellt: Wegwerfen (heißt, der Verseder wird mutmaßen, dass die Ware gefallen hat). Zurücksenden (heißt, der Versender wird mutmaßen, dass die Redakteure für den vermeintlichen Scherz zu spießig sind). Drüber berichten? (Heißt: Der PR-Gag ist direkt aufgegangen.) Schauen wir mal, ob jemand drauf reinfällt und wer der Erste ist... Gut dass es entlarvende Journalisten wie Thomas Knüwer gibt. Wäre nicht das erste mal, dass sich so eine Aktion genau ins Gegenteil verkehrt. Gefunden bei der lieben Indiskretion Ehrensache.

Wir befragen uns selbst

Vor ein paar Tagen habe ich ja über die Segnungen und Flüche von Multimedia sinniert. Ich habe ein neues, insgesamt eher betrübliches Beispiel entdeckt, dass es den deutschen Zeitungen ganz ernst damit ist, Fernsehen zu machen - oder zumindest Bilder zu produzieren.

sueddeutsche.de interviewt den Wirtschafts-Ressortleiter der Zeitung, Ulrich Schäfer, zum Bahnstreik. Der schlägt sich ordentlich, fühlt sich der Körpersprache und Intonation nach zu urteilen etwas unwohl in der Rolle des Online-Kaspers - und ist eben nicht der Mann, den ich zum Thema hören will.

Nein, ich will als verwöhnter Fernsehzuschauer den Gewerkschaftschef Schell oder den Bahnchef Mehdorn oder wenigstens deren Sprecher und Büchsenspanner hören, aber eben nicht einen wackeren Journalisten, der mehr oder minder gut mit dem Thema befasst ist.

Das ist das Problem von uns Journalisten im Internetzeitalter - die Selbstreferenzialität, wir befragen uns zunehmend selbst und nehmen uns als Kronzeugen unserer eigenen Thesen...

Mittwoch, 1. August 2007

Wo das Web zu sich selbst findet

Es gibt bekanntermaßen Themen, bei denen das Medium Online zu sich selbst findet. Lotto ist so ein Beispiel, das Wetter auch und zum Beispiel Sex. Die Klicks, die durch das Reizwort Sex generiert werden, lässt sich keine - noch so seriöse - Online-Redaktion entgehen. Und wenn sich Sex mit den ebenso klickträchtigen Rankings koppeln lassen, dann wird eine besonders fette Klicksau erzeugt. Kostprobe: Die 237 guten Gründe für Sex. Findet sich aktuell weit oben bei Süddeutsche, Stern, Spiegel, FAZ.

Multimedia

Zeitungsverleger haben einen Traum. Sie wollen weg vom Papier und multimediales Internet machen. Das Ziel ist klar: Es gibt eine Nachricht und die soll auf möglichst vielen Kanälen verbreitet werden. Der Journalist soll nach dem Willen vieler Verleger zur eierlegenden Wollmilchsau werden, die Radio, Fernsehen, Zeitung, Web macht. Oft erschöpfte sich diese Multimediaoffensive bisher in mehr oder minder gelungenen Podcasts oder in hölzernen, schlecht vorgetragenen Nachrichtensendungen. Was ja auch kein Wunder ist. Wer gute Artikel schreibt, schneidet noch lange keine guten Fernsehbeiträge; wer gut recherchiert, hat noch lange keine schöne Radiostimme. Dem Mittelmaß wird der Weg bereitet; der mediokre Journalist der Zukunft macht alles mögliche - und nichts richtig gut. In welche Richtung die Reise geht, zeigt jetzt exemplarisch stern.de. Die große UIli-Hoeneß-Story wurde - in recht brauchbarer Qualität - mitgeschnitten, Teile des Videos stehen im Netz.

Dienstag, 31. Juli 2007

Beklagenswerte Fundsachen

Die heutige Homepage von web.de, immerhin eines der wichtigsten Portale Deutschlands, ist an Irrelevanz kaum zu überbieten. Sex sells, ich muss es immer wiederholen. Ganz vorne bei der Unterminierung klassischer Nachrichten-Tugenden, gewissermaßen Antipoden der Ausrichtung nach Relevanz, sind die verlegerisch ungebundenen Portale wie web.de und T-Online und Yahoo ja immer. Aber heute wird es besonders deutlich. Topgeschichten bzw. Aufmacher in den Screens in der oberen Bildschirmhälfte bei web.de sind heute: Immer mehr Deutsche gehen fremd, Immer mehr Veganer lehnen Sex mit Fleischessern ab. Wer mir jetzt Prüderie oder Lamento vorwirft und sagt, das seien doch lustige Meldungen, möge einen Blick auf die anderen Top-Storys werfen: Binsen wie "Entspannung hilft bei Stress", zweifelhafte Storys wie "Daniel Tammett kann sich 22.000 Ziffern merken" und die vollkommen unnötige singende Paris Hilton. Das ist also die Quintessenz eines Nachrichtentages. Diese beklagenswerte, quotenträchtige Nachrichtenauswahl können auch die als Feigenblatt erwähnten Brände auf den Kanaren nicht antagonisieren.

Montag, 30. Juli 2007

Wider den Stachel gelöckt

Heute mal nicht das gängige Lamento. faz.net koppelt sich mutig von den Quoten ab - und macht einen Text zum Aufmacher, der sich nur an Relevanz und überhaupt nicht am Leserinteresse orientiert. Es geht darum, dass die Staatsbank KfW die Mittelstandsbank IKB, die sich bei Immobiliengeschäften verspekuliert hat, vor dem Kollaps schützt. Ein wirtschaftlich hoch bedeutsames Thema. Das Publikum wird diese erfreuliche Form der Leserführung, die auf eine längst vergangene Zeit des Journalismus referenziert, vermutlich nicht goutieren (-;

Mittwoch, 25. Juli 2007

Stern zerschossen?

Ich frage mich, ob die Website des "Stern" gerade zerschossen ist. Zerschossen - für alle Nicht-Onliner - heißt, dass irgendwas in der Seitenstruktur schiefgelaufen ist: aufgrund von schlechter Programmierung oder Pannen im Zentralrechner. Es sieht einfach so aus, als seien die Rubriken Politik oder Wirtschaft verschluckt worden.

Nicht anders kann ich mir erklären, dass "stern.de" - unterhalb des berechtigten Aufmachers über Blutdoping bei der Tour der France - tatsächlich aufmacht mit der Alkoholfahne von Lindsay Lohan (überflüssige Geschichten über uninteressante Leute Lindsay Lohan, Paris Hilton, Kate Doherty, Britney Spears landen immer ganz oben in den wahren Klickstatistiken, die aber viele Redaktionen unter dem Deckel halten).

Und dieser Quatsch, obwohl es Dutzende wichtiger und auch besserer Nachrichten gibt. Neben Lindsay steht der gern geklickte Texte "Bier, Bass und Busen - eine Mallorca-Reportage" (eine Titten-Galerie). Bringt Quote, spiegelt keineswegs die Relevanz des Tagesgeschehens - aber bietet ungefähr alle wichtigen Klickfaktoren im Netz auf. Und ist daher ein Lehrstück für professionell gemachten, quotenorientierten (aus meiner Sicht: schlimmen, seichten und bedauerlichen) Netz-Journalismus.

Nicht nur Platzierung, Nachrichtenfaktoren und Thema bestimmen die Durchschlagskraft einer Nachricht, haben wir in unserer Studie für die Ebert-Stiftung geschrieben. Auch die Präsentation oder „Verpackung“ entscheidet über die Einschaltquote. „Sex: Wie die Deutschen verhüten“ ist ein Beispiel für eine Überschrift, die der Leser mit Sicherheit wahrnehmen wird. Hier wirken Reizwörter. Und das machen die Kollegen von "stern.de" gut. In unserer Studie haben wir geschrieben (S. 79): "In den Anrissen und Überschriften vieler Nachrichten finden sich häufig Schlüsselwörter wie Eklat, Drama, Skandal, Sex, Reizwörter wie Blutbad, brüllen, geil oder Superlative („Die besten“, „Die größten“, „Die schmutzigsten“, „Gigantischer...“). Diese Reizwörter sind die eigentlichen Klick-Magnete."

Freitag, 20. Juli 2007

Toter Harry Potter und blasse Nazis

1.) web.de fällt heute durch einen ganz besonders üblen Etikettenschwindel auf. Ich würde den gar nicht erwähnen, wenn er nicht ganz typisch wäre für die Klickschinderei, die uns so ärgert und die mein Kollege und ich in einem Gutachten für die Ebert-Stiftung identifiziert haben. Es werden angebliche Neuigkeiten versprochen und geheime Enthüllungen zur Frage, welches Ende Harry Potter im letzten Buch findet (Teaser: "Achtung! Nicht weiterlesen! Stirbt Harry Potter? Was wird aus seinen Freunden? Eine im Internet aufgetauchte angebliche Kopie des letzten Harry-Potter- Bandes nimmt den Ausgang vorweg") Und als Ergebnis - nichts, nur dünne Suppe, hohles Geplapper, Agenturen. Allerdings hat man vorher mindestens vier Klicks - inklusive handwerklich gut gemachtem - Teaser auf der Homepage generiert.

2.) Nazis ziehen immer. Das Reizwort Hitler bringt Klicks und in der Tat ist die Story auf Spiegel Online über die Marketing-Broschüren und Urlaubsprospekte, mit denen die Nazis versuchten, das Image Deutschlands in der Welt aufzupolieren, hochinteressant und gut. Bedauerlicher aber ist die anhängende Bildergalerie. Schlecht und laienhaft eingescannt mit Katalogrändern - als hätte ich es gemacht. Normalerweise sagen defensive Verlagsmanager immer, diese Form der Anmutung erhöhe die Authentizität. Ich mutmaße mal, woran es wirklich liegt. Es gibt nicht genug professionelle Scan-Kapazitäten, die die Redaktion nutzen kann. Nicht so professionell jedenfalls wie bei einer großen Zeitung oder einem Print-Magazin, das ein ähnliches Thema anders aufbereitet hätte. Ich kenne das noch von meiner Zeit bei der Wirtschaftswoche. Weil nicht genügend Grafiker für Online zur Verfügung standen, hatten wir auch lauter laienhafter Excel-Tabellen und armselige tiffs drin. Schade, dass es zwei Jahre nach meiner Online-Zeit bei der Wiwo beim Leitmedium - teilweise zumindest - offenbar ähnlich läuft.

Donnerstag, 19. Juli 2007

Online-News immer beliebter

Jeder fünfte Deutsche liest mittlerweile Nachrichten im Internet, meldet die Nachrichtenagentur ddp. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden die 20 meistgenutzten News-Portale in Deutschland rund 1,8 Milliarden Mal besucht, ergibt eine Studie des Branchenverbandes Bitkom. Das ist ein Plus von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bitkom führt den Boom darauf zurück, dass klassische Zeitungen und Magazine ihre Online-Portale in den vergangenen Monaten massiv ausgebaut hätten. Fazit des Branchenverbandes: "Die Grenzen zwischen gedruckter Zeitung und Online-Journalismus schwinden."

Das klingt gut für Portale und Verlage, hat aber einen Haken. Denn an Refinanzierungsmöglichkeiten mangelt es den meisten Verlagen nach wie vor. Bezahl-Abos lassen sich bekanntermaßen nicht durchsetzen und Bannerwerbung wirft bei den meisten viel zu wenig ab.

Wie teuer es ganz offenkundig ist, komplexe Nachrichtenredaktionen zu betreiben und einen vollwertigen - und künftig multimedialen - Newsroom zu betreiben, wissen wir spätestens, seit auf Druck der Heuschrecken wichtige Nachrichtensendungen von Sat1 abgeschaltet wurden.

Sonntag, 1. Juli 2007

Lesetipp, Schwarmgeist, stumpfer Kollektivismus

Komme gerade aus Asien zurück und habe in der Tageszeitung "Shanghai Daily" eine recht interessante Rezension gelesen über das Buch "The cult of the amateur" von Andrew Keen, ein Internetunternehmer, der mit Weblogs und Bloggern hart ins Gericht geht. Das Buch kennen wahrscheinlich einige von Euch, ich habe es aber ausgerechnet erst in der Blogger-Diaspora China entdeckt (-;

Keen kritisiert vor allem jene abermillionen Blogger, die mit ihren Nichtigkeiten einen schier endlosen Dschungel der Mittelmäßigkeit ("endless digital forest of mediocrity") erschaffen. Darüber hat sich eine spannende Diskussion entwickelt.

Das bringt mich auf die Idee, zu einem der von den Lesern am meisten kritisierten Punkte in unserem Gutachten für die Ebert-Stiftung Stellung zu nehmen. Wir haben die These aufgestellt,"dass von Laien betriebene Vor- und Scheinformen von Journalismus in Gestalt sozialer Netzwerke und Weblogs sich als Bedrohung für den redaktionell betriebenen Journalismus erweisen" (S. 83).

Viele Blogger haben sich darüber beschwert und uns (als bei Zeitungen ausgebildeten und in klassischen Verlagen tätigen Redakteuren) Konservativismus, besitzstandswahrendes Denken und einseitige (Print-)Perspektive vorgeworfen. Sie legten unsere These dergestalt aus, dass wir Blogs per se als Bedrohung für journalistische Internetangebote ansehen, die den Qualitätsjournalismus unterminierten. Davon kann angesichts der vielen hervorragenden Weblogs wie bildblog überhaupt keine Rede sein, im Gegenteil!

Unsere Darstellung ist nicht gegen Blogger gerichtet, sondern eher ein Weckruf an rückwärtsgewandte Verleger, die das Internet und Web 2.0 müde belächeln und glauben, allein der Verweis auf 100 Jahre Tageszeitung genüge zu deren Legitimation und als ewiger Jungbrunnen. Um es klar zu sagen: Verleger und Chefredakteure müssen runter vom hohen Ross. Die Leser lechzen mitnichten nach halbgaren Leitartikeln und hyperventiliert und schlampig aus Nachrichtenagenturen zusammengestrickten Zeitungsaufmachern! Der Siegeszug vieler Weblogs und anderer Neben-, Vor- und Scheinformen des Journalismus, das Aufkeimen eines lebhaften Parajournalismus, belegen ja gerade, in welcher Sinn- und Vetrauenskrise viele hauptberuflich verwaltete, verlegerisch ausgerichtete Medien stecken.

Wenn aber als Konsequenz daraus die Bedeutung von Blogs und anderen partizipatorischen Formen im Netz zunimmt, muss erst recht Kritik an diesen medialen Darstellungsformen erlaubt sein. Die Einhaltung journalistischer Qualitätsstandards muss immer dann konsequent eingefordert werden, wenn Blogger die Rolle von Redakteuren einnehmen (wollen). Und Kritik übt Keen in seiner Polemik nicht zu knapp.

Eigentlich bringt er viele bekannte Argumente noch einmal griffig auf den Punkt, wenn er etliche Blogger als "intellektuelle Kleptomanen" brandmarkt, als digitale Diebe, die ungeprüft Gerüchte weiterreichten. Neu ist der Vorwurf nicht. Auf einer Tagung warnte der Berliner Literaturwissenschaftler Hans-Joachim Neubauer bereits 2006 davor, dass sich die Mediengesellschaft an der "Schwelle zu einem neuen Zeitalter des Gerüchts" befinde. Und Irmela Schneider stellte eine "Renaisscance des Gerüchts" in den Medien fest, etwa in der Berichterstattung über vermutete Terrorakte (ddp, 2.10.2006).

Außerdem warnt Keen vor Gleichmacherei und Gleichschaltung, Holzschnittartigkeit und Belanglosigkeit vieler im Netz gesetzter Themen. Auch das ein bekannter, deshalb aber nicht minder bedeutsamer Vorwurf. Auch Internet-Visionär Jaron Lanier hat mehrfach vor dem Internet als "Kulmination stumpfen Kollektivismus" gewarnt und dem Schwarmgeist der Netz-Community die Weisheit abgesprochen (Der Spiegel 46/2006).

Was die Ausrichtung am Massengeschmack, die Befriedigung des Nutzerschwarms, aus journalistischer Perspektive bedeutet, lässt sich tagtäglich wirkmächtig in der Nachrichtenauswahl der T-Onlines, Yahoos, WEB.DEs und MSNs nachvollziehen.

Samstag, 30. Juni 2007

dpa, ungeprüft

Unsere These belegend, dass in Online-Redaktionen häufig Agenturmaterial ungeprüft, ohne gegenrecherche und ohne zweite Quelle übernommen wird, hat Christoph Schultheis im Blog von Stefan Niggemeier heute einen höchst lesenswerten Blogeintrag verfasst. Absoluter Lesetipp! Und leider kommt kein renommiertes Online-Medium dabei gut weg. Es geht um das Übernehmen einer Bild-Zeitungs-Meldung, die von dpa falsch aufgegriffen wurde und so auf allen wichtigen Portalen zu lesen ist...

Donnerstag, 28. Juni 2007

Was diese Woche durchs Dorf getrieben wird...

"Deutsche für Abschaffung der Winterzeit". Ausgerechnet vom Spiegel, wahlweise Seite 18 oder hier.

Ja Klasse! Dann dürfen wir uns schon auf Nachrichten über Unpünktlichkeit im Büro freuen, weil im Dezember die Sonne erst um 9 Uhr aufgeht.

Nur so zur Info: Sommerzeit bedeutet, die Uhr um eine Woche vorzustellen. Winterzeit gibt es nicht, nur Normalzeit - das ist, wenn die Sonne mittags am höchsten und um Mitternacht am tiefsten steht.

Wir bedanken uns bei den Fachredakteuren von Deutschlands Qualitätsmagazin Nummer Eins für die intelligent beauftragte TNS-Umfrage!

Oh Mann...

PS: Dank an H.A. für den Hinweis
PPS: Welt Online ist heute reichweitentechnisch ganz groß unterwegs: Acht gründe, warum Stars sich ausziehen und 102 Fotos dazu. Enjoy...

Mittwoch, 27. Juni 2007

Stirbt Print aus?

Achim Berg, Microsoft-Geschäftsführer in Deutschland, hat laut einer kurzen Meldung auf fr-online.de die Printmedien als Teil einer "aussterbenden Gattung" bezeichnet.

Seine Gründe:

Das Internet ändere die Struktur der Medien radikal.

Die Zukunft gehöre dem Bewegbild im Web. Drei Milliarden Videostreams würdem monatlich weltweit im Internet angeschaut und die Zahl werde sich in den kommenden drei Jahren vervierfachen.

Für den klassischen Medienkonsum würde immer weniger Zeit zur Verfügung stehen.

Das regt zur Diskussion an: Greift Ihr weniger zu Zeitungen oder Magazinen, weil Ihr mehr mit dem Computer beschäftigt seid?

Vormarsch der Social Networks

Die sozialen Netzwerke sind im Netz weiter auf dem Vormarsch und beanspruchen Nutzerzeit für sich. Aktuell habe ich einen Bericht auf Handelsblatt.com veröffentlicht, in dem es um spezialisierte Portale geht - im speziellen um Seniorenportale wie Eons.com, ThirdAge.com und das jüngst in Deutschland gestartete Netzwerk Platinnetz.de. Ein Lesetipp, zu dem es hier geht. Enjoy!

Montag, 25. Juni 2007

Internet-Werbeausgaben steigen um 42 Prozent

Und noch eine spannende Meldung die wiwo.de heute veröffentlicht hat: In der dpa-Meldung heißt es, dass Werber künftig zielgerichtetere Online-Werbeformen bevorzugen. Die werbetreibende Industrie erwarte in der "zweiten Internet-Welle" (womit sicher der DSL-Boom und nicht Web 2.0 gemeint sein dürfte) eine zielgenauere Werbung und Ansprache ihrer Kunden als zu Beginn des Online-Zeitalters. Die Werber wollten weg vom Banner hin zu Werbeformen, die Kunden Service bieten. Was sie damit meinen, sind stärker context-bezogene Werbemittel, die im Rahmen von so genanntem Behavior Targeting ausgeliefert werden. Exzellent beschrieben in einem Fachbeitrag von Adtech-Chef Dirk Freytag. Eine weitere spannende Info ist in der wiwo.de-Meldung versteckt: Die Werbeausgaben im Online-Bereich sind schon wieder gestiegen. Und zwar von Januar bis Mai verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um rund 42 Prozent auf 331 Millionen Euro. Wer da dem Online-Medium Relevanz abspricht, ist selbst schuld...

Hyperaktive Kommunikation

Herrlich erfrischend ist das, was Jochen Mai und Sebastian Matthes auf wiwo.de schreiben. Von der Hyperaktivität in der Kommunikation, von Twittern, Handybimmeln, Messengern, Blogs, Podcasts, Videos, Communitys, Chats, Alben und Foren. Und wie viel Zeit da auf der Arbeit verloren geht. "Es piept, es klingelt und vibriert überall und gleichzeitig und viele machen das alles freiwillig mit", schreiben sie. Vom Kommunizieren bis zur geistigen Flatrate. Vom Revolutionieren der Arbeitswelt und der Privatsphäre. Vom inneren Zwang, Content zu produzieren.

Schon seit längerem gehe ich davon aus, dass sich Information künftig im Netz seine Bündelungskanäle suchen wird. Netvibes und Pageflakes waren erste nette Versuche, individuelle Homepages zu kreieren. Jetzt hat auch Google mit iGoogle nachgelegt und ich prognostiziere: Künftig wird man über Google einsteigen und seine Infos sortieren, die neuen Nachrichten lesen. Für journalistische Portale wird entscheidend sein, den Anforderungen des Google-Robots zu genügen, um in den relevanten RSS-Feeds überhaupt stattzufinden. Die gehen natürlich auch danach, was die Leser sich bookmarken. Ein weiterer Ansporn, sich im Netz mit qualitativ hochwertigen journalistischen Portalen zu positionieren und dies auch über virales Marketing den Lesern näherzubringen. Und: Das ist nicht nur Bedrohung, sondern auch eine Riesenchance für redaktionelle Angebote. Wenn sie nur so gut sind, dass ausreichend Leser sie sich bei Google merken. Die Aufmerksamkeit wird aber neben redaktionellen Webseiten genauso und vielleicht noch viel mehr den Communitys gelten. Besonders denen, die es verstehen, Nutzer mit einem gemeinsamen Interesse zu verbinden.

Ich muss dabei gerechterweise erwähnen, dass ich auch selbst momentan relativ erfolgsversprechend im Bereich Community unterwegs bin. Das lenkt aber nicht vom Lesen und Nachdenken ab ;-) Meine Lieblingswebsites hab ich aber auch schon bei iGoogle eingestellt...

Freitag, 15. Juni 2007

Weischenberg irrt

Der Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg warnt laut einer kurzen dpa-Meldung auf dem Branchendienst "Newsroom" vor einer Kommerzialisierung des Journalismus. Der Journalismus und die Medien sind nach seiner Ansich immer mehr den Gesetzen der Kommerzialisierung unterworfen. Wichtige Themen stünden neben solchen, deren Relevanz fraglich sei. Ein Ergebnis, zu dem auch unser Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung kommt. Trotzdem seien die klassischen Medien wie Zeitung, Hörfunk oder Fernsehen alternativlos - und hier irrt Weischenberg leider. Denn wer in der sich in der Praxis bewegt, sieht in den Redaktionen schnell, dass diese sich am Tempo und den Themen der Online-Kollegen orientieren. Das Internet wird nach Weischenbergs Auffassung überschätzt. Nach unserer Studie und unseren darin belegten Beobachtungen ist es der Grund für den Medienstrukturwandel.

Montag, 11. Juni 2007

Fundsachen: Nackte und Ironie

Eine der überflüssigsten Bildergalerien seit langem bietet die Süddeutsche: Der nackte Block - über Radfahrer, die kleidungslos gegen den Klimawandel protestieren. Abgesehen davon, dass die Galerie in erster Linie Klicks produzieren soll, ist sie recht unoriginell betitelt und viele der Bilder sind von mieser Qualität.

Und nochmal die Süddeutsche, diesmal mit Ironie. Ich finde ja ganz viele der Ratespiele und Wissenstests hohl und öde und sinnlos. Und die Kollegen teasern ihr eigenes Quiz als Abfragerunde nutzlosen Wissens an... das hat was!

Samstag, 9. Juni 2007

Gesellenstück zum G-8-Gipfel

Kollegen verschiedener Nachrichtensites haben mir erzählt, dass der G-8-Gipfel ihnen zum Teil Rekordeinschaltquoten gebracht hat. Das macht Hoffnung und könnte Ansporn sein, Klicks einzusammeln jenseits von Paris Hilton, Adolf Hitler und Lady Di!

Die Online-Medien haben beim G-8-Gipfel aber auch alles getan, um ihre Nachrichtenführerschaft unter Beweis zu stellen und in einer Aktualität, Dichte und Tiefe berichtet, die kaum mehr eine Zeitung erreicht und das Fernsehen schon gar nicht; allen voran Spiegel Online - mit dem offenkundigen Anspruch, diesmal ein multimediales Gesellenstück vorzulegen. Übrigens unter Ausnutzung aller möglichen journalistischen Spielarten und vor allem auch jener Formate, die in dieser Schönheit nur das Web bietet - vom guten alten Forum und der obligatorischen Pic-Show über interaktive Grafiken bis zu Video. Respekt. Viele der piefigen Zeitungsredaktionen mit ihren altbackenen Gipfel-Chroniken sollten zittern.

Warum gute Journalisten keine Blogger sind

Zahlreiche Verlage investieren in ihre Internet-Portale. Sie suchen gut ausgebildete Multimedia-Journalisten, während die Mitarbeiterzahlen in Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen eher schrumpfen. Der Grund: Im vergangenen Jahr ist der deutsche Online-Werbemarkt um 84 Prozent gewachsen. Auf Handelsblatt.com beleuchtet Werkkanon-Autor Roland die Zukunft der Autorenschaft. Die Recherche für den Beitrag förderte noch einige weitere spannende Erkenntnisse zutage, die folgen in den kommenden Tagen... Enjoy!

Montag, 4. Juni 2007

Flucht aus Print

Interessanter Beitrag in der gedruckten Ausgabe des neuen SPIEGEL. In der Magazingeschichte "Verlage: Auf der Flucht" thematisieren die Autoren Isabell Hülsen und Markus Brauck das schwierige Verhältnis von Print und Online sowie die Panik, die in vielen Verlagen herrscht. These: "Aus Angst, im Internet die Zukunft zu verpassen und bei den steigenden Werbeeinnahmen im Netz leer auszugehen, vernachlässigen die Verleger ihr Geschäft mit Zeitungen und Zeitschriften. Der Journalismus könnte auf der Strecke bleiben."

Die Autoren konstatieren, dass im großen Stil eingekauft und redaktionell leichtfertig der Slogan "Online first" ausgegeben werde. "Wo Google global auf Einkaufstour ist, da tun es die deutschen Verleger wenigstens national. Vor allem Holtzbrinck und Springer mischen kräftig mit. Wer jetzt nicht ins Online-Geschäft investiere, gilt in der Branche als verschlafen."

Und so habe, schleichend zunächst und doch mit festem Vorsatz, "eine Flucht aus Print eingesetzt". Doch die Flucht aus Print sei sehr häufig eine Flucht aus dem Journalismus. "Mit Nachrichten und Informationen ist im Netz nicht besonders leicht Geld zu machen. Deshalb investieren große Häuser wie Holtzbrinck, Springer und Burda zurzeit lieber in Preisvergleichsmaschinen, Gesundheitsportale und Hotelbewertungsseiten. Da ist die Werbung näher - und damit auch die Rendite."

Steht auch in unserem Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung ...

Der doppelte Monster-Keiler

Der Monster-Keiler war gar kein scheußliches Ungetüm der Wälder, sondern ein ausgesetztes Hausschwein namens Fred, schreiben zum Beispiel Spiegel Online und Welt.

Dieser sich antagonisierende Journalismus ärgert mich. Das läuft teilweise nach dem Motto: Ich blase eine im wahrsten Sinne des Wortes dicke Nachricht in die Welt und ernte Klicks. Ich bringe das (halbe) Dementi. Und ernte wieder.

Eigentlich ist meine Kritik gar nicht speziell auf Online-Medien gemünzt. Ihnen wird bisweilen - wie in diesem Fall - ihre Ehrlichkeit sogar zum Mühlstein, weil sie fair darauf verweisen, wie sie einst (in dem Fall: vor einer Woche) die Sensationsnachricht zelebriert haben. Diese Form der Evaluation oder Selbstkritik gibt es im Print selten.

Insofern schließe ich mit einem lachenden und weinenden Auge: Ärgerlich, wie hyperventilierend jede Geschichte ungeprüft ihren Weg in die Webportale der ganzen Welt findet (und offenbar auch die verbreitenden Agenturen nicht mehr gut prüfen); schön dass online die Korrektur zeitverzögert erfolgt (-;

Mittwoch, 30. Mai 2007

Nutzerumverteilung und neue Medienära

Die großen Internetunternehmen T-Online, Yahoo, MSN und AOL haben im vergangenen Jahr an Reichweite im Internet verloren, berichtet FAZ.net, vor allem gegen Web-2.0-Anbieter wie Wikipedia, Myvideo oder StudiVZ.

Die beliebteste Web-2.0-Seite der Deutschen sei Wikipedia, die von 33 Prozent aller Nutzer aufgesucht wird, hat Nielsen-Netratings gemessen. Wikipedia, Youtube und Myspace hatten demnach von Januar auf Februar demnach überraschenderweise die loyalsten Nutzer. Eine Tatsache, der wir in der Studie "Klicks, Reizwörter, Quoten" (Kapitel V., S. 46ff.) unter dem Stichpunkt "Soziale Netzwerke" nachgehen.

Zu dem Thema hatte sich kürzlich auch Ciscos Vizepräsident Dan Scheinman geäußert. Er sagte Anfang Mai, dass soziale Netzwerke zukünftig den Medienkonsum bestimmen. Damit dürfte das Medienhaus gut aufgehoben sein, das für virtuelle Netzwerke die besten Angebote bereithält, um Informationen in Foren, Gruppen, und Netzwerkblogs gut zugänglich zu machen, beispielsweise über exzellente RSS-Feeds.

Der Cisco-Vize sieht im Web 2.0 den Beginn einer neuen Medienära. Unternehmen können anhand von sozialen Netzwerken am besten verstehen, wie in Zukunft Content verbreitet und konsumiert werden wird, berichtet der Branchendienst ZDnet. Scheinman wird zitiert mit den Worten: "Wir erleben den Beginn einer neuen Medienära, in der die Konsumenten die Werte und die Kreativität bestimmen."

Sonntag, 27. Mai 2007

Totenschiff Online-Redaktion

Gestern erzählte mir ein Kollege auf einer Party, wie stark gerade die Gehälter im Journalismus verfallen. Konkret ging es um n-tv, deren Manager sich angeblich rühmen, teilweise Jahresgehälter von lächerlichen 25.000 bis 27.000 Euro zu zahlen: für Vollzeit-Redakteure! Selbst (Print-)Volontäre haben vor fünf oder sieben Jahren 10.000 Euro mehr bekommen.

Erfahrungen aus Online-Redaktionen sind mitverantwortlich dafür, dass die Gehälter mit einer solchen Verve gedrückt werden. Viele Verlage haben bei ihren Online-Produkten erfolgreich mit neuen Beschäftigungsbedingungen (Kollegen werden nicht als Redakteure, sondern als Content Manager eingestellt, um ihnen gewissen Sozialleistungen streichen zu können) experimentiert. Diese unheilvollen Erfahrungen werden jetzt auf Printredaktionen übertragen. Online-Redaktionen erweisen sich als Speerspitze eines industrialisierten Journalismus, zum Vorboten ökonomischen Ausrichtung aller Produktionsprozesse.

Ziel der Verlage und Medienhäuser ist es, möglichst viele Inhalte zu möglichst geringen Kosten zu produzieren. Das ist im Prinzip in Ordnung und die Grundlage ökonomischen Handelns.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist aber die institutionalisierte Mangelverwaltung zu einem Kennzeichen der Arbeit in Redaktionen geworden. Dem Mangel an Personal und materieller Ausstattung begegnen viele Verlage mit der Entwicklung neuer Schichtsysteme, die das Defizit ausgleichen sollen. Das führt zu Fließband-Journalismus mit allen schlimmen Begleiterscheinungen - vor allem aber geht die Identifikation mit dem journalistischen Produkt verloren.

Und das führt dann eben dazu, dass Online-Journalismus für Journalisten keine sonderlich attraktive Karriereperspektive bietet und die Tätigkeit als Online-Redakteur in den Ursprungsredaktionen häufig nicht sehr hoch angesehen ist.

Latent verbirgt sich hinter den niedrigen Gehältern und industrialisierten Produktionsbedingungen natürlich auch eine Verachtung, die gerade Verlagskaufleute den (Online-)Journalisten entgegen bringen.

Und die lässt sich auch aus der Historie erklären. Das geringe Ansehen der Arbeit in Online-Redaktionen und der schlechte Leumund der Web-Redakteure geht auf Versäumnisse in den Boomzeiten zurück. Ende der Neunziger Jahre war es derart schwierig, geeignetes Personal für Online-Redaktionen zu finden, dass die Medienhäuser sogar hohe Kopfprämien für die erfolgreiche Vermittlung von Journalisten zahlten. Viele Verlage stellten angesichts des Personalmangels wahllos Berufsneulinge oder Quereinsteiger ein. Unter diesen waren nicht selten auch unzureichend qualifizierte Journalisten, was zu einer Stigmatisierung der „Onliner“ beitrug.

Mir sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen genau dies geschah – dass also Kollegen, die man aufgrund ihrer Arbeitseinstellung oder aufgrund gesundheitlicher Probleme in den Printredaktionen loswerden wollte, in die Online-Redaktionen versetzte. Die Folge: In vielen Online-Redaktionen wurde und wird Frust geschoben, Dienst nach Vorschrift geleistet und das Ziel der meisten Redakteure ist klar: Eines Tages rauskommen aus der Online-Redaktion zu Print. Bloß runter vom Totenschiff.

Die Zusammensetzung der Online-Redaktionen ist inzwischen wissenschaftlich erforscht. Der typische Online-Journalist ist danach auffallend jung. Mehr als die Hälfte der Online-Journalisten sind zwischen 25 und 34 Jahre alt, während es in der Gesamtheit der Journalisten nur 42 Prozent sind. Berufsanfänger machen 15 Prozent der insgesamt erfassten Online-Journalisten aus; 16 Prozent sind Quereinsteiger, die vorher nicht journalistisch tätig waren. Lediglich ein Drittel der Journalistinnen und Journalisten hat ein Volontariat absolviert. Diese Fakten bestätigen die Annahme, dass im Online-Journalismus zumindest in den Anfangstagen tatsächlich ein relativ geringer Professionalisierungsgrad herrschte.

Zum Imageproblem kommen nach wie vor diverse Einschränkungen, die versierten Redakteuren die Arbeit in Online-Redaktionen verleiden: Der Mangel an Möglichkeiten, Artikel zu recherchieren und (unter eigenem Namen) zu schreiben; die begrenzten Reisemöglichkeiten; die Einbuße an Statussymbolen wie eigene Büros, zum Teil auch Dienstwagen oder Blackberrys; die Unmöglichkeit, im nennenswerten Umfang an Ausschüttungen der VG Wort beteiligt zu werden und schließlich der Schichtdienst lassen den Beruf des Online-Journalisten im Vergleich zum Berufsbild vieler Printredakteure wenig attraktiv erscheinen.

Die Unterschiede in den Arbeitsbedingungen verfestigen innerhalb der Redaktionen den Eindruck einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Allerdings gibt es einen Trost (-; Es zeichnet sich ab, dass sich die Arbeitsbedingungen der Print-Redaktionen denen im Online-Journalismus angleichen werden, so dass im Laufe der kommenden Jahre mit einer Nivellierung auf niedrigerem Niveau zu rechnen ist.

Samstag, 26. Mai 2007

Fiese Fundsachen

Sex sells, sagt die abgegriffenste Zeitungs-Blattmacher-Weisheit, die ich kenne. Und über Online-Teaser, in denen die Signal-Wörter Sex, Eklat, Blutbad, Drama vorkommen, haben wir hinlänglich geklagt. Da aber das schnöde Wort Sex aber offenbar nicht mehr reicht, um Klicks zu generieren (weil das Publikum abgestumpft ist? weil es alle machen?), drehen einige Kollegen die Schraube Tag für Tag noch ein bisschen weiter (-; Frische Fundsachen: Sperma als Salatsoße bei Spiegel Online und die Designer-Vagina bei Welt Online.

Donnerstag, 24. Mai 2007

Post vom Medienwissenschaftler zum Markt

Robin Meyer-Lucht hat sich heute in einer ausgeschlafenen Analyse zum Thema "Virtualienmarkt: Überlebt der Journalismus den Markt?" auf perlentaucher.de zu Wort gemeldet. Der renommierte Medienwissenschaftler diskutiert unter der Bezeichnung "Zitronen-Journalismus" die Markt- und Zukunftsfähigkeit der hochkarätigen Journaille. Höchst lesenswert und stringent hergeleitet kommt Meyer-Lucht zu folgenden Schlüssen:

"Wenn sich Journalismus allein an Konsumpräferenzen und Verwertungslogiken orientiere, könne er seiner demokratisch-aufklärerischen Aufgabe nicht mehr gerecht werden."

"Qualitätsmedien würden eine gewisse Distanz zum Markt benötigen (...), andernfalls populistischen Tendenzen anheim fallen und an Kritikfähigkeit einbüßen."

Das Internet erweise sich als "furioser Agent einer Liberalisierung innerhalb der Journalismus-Industrie. Wo einst gemütliche Oliopole blühten (und in den Köpfen noch blühen, d.V. ...) herrscht zunehmend die Kreativität der Marktkonformität."

Phänomene, die sich diejenigen Online- und Printpublikationen zunutze machen könnten, die diese Entwicklung als erste antizipieren - und zwar mit einer Gegenoffensive. So stellte Judith Roth bereits im Jahr 2005 in "Die Google-Gesellschaft" fest:

"In Zeiten der Informationsüberproduktion (...) muss (der) Mehrwert sehr genau bestimmt, Tag für Tag umgesetzt und nicht zuletzt auch beworben werden. (...) Das Paradoxe dabei: Je mehr sich der Markt der Informations- und Unterhaltungsangebote ausdifferenziert, umso energischer muss jeder einzelne Anbieter Techniken zur Aufmerksamkeitsgewinnung einsetzen und erarbeiten. Dabei wird die Reizüberflutung jedes Mal ein wenig mehr verstärkt. Für Tageszeitungesverlage liegt darin eine Chance: Als Alltagsmedium kann diee Tageszeitung in den kommenden Jahren ihr Profil noch stärker dahingehend ausrichten, dass sie den Lesern eine Welt erklärt, die immer komplexer zu werden scheint." Das gilt nach Auffassung von Werkkanon in noch stärkerem Maße für die jeweiligen Online-Ableger.

Bloß: Wer agiert so?

Gehetzt nehmen Tageszeitungen den Kampf um die Aufmerksamkeit des abgelenkten Lesers auf, versuchen ihn mit Scoops zu überhäufen und ihm auch die kleinste Abweichung des Einheitsbreis als Exklusivstory zu vertickern. Was dabei kontinuierlich schrumpft: Scoops by thinking.

Focus Online-Chefredakteur Jochen Wegner spricht in derselben Publikation von einer "Googleisierung der Medien" kritisiert seine Redakteurskollegen, die seiner Einschätzung nach "ihre Themen bereits verzerrt wahr(nehmen), nur, weil Google besonders wenig dazu findet oder besonders viel." Und mutmaßt: "Vielleicht werden bestimmte Experten nur deswegen so oft zitiert, weil sie mit Google besonders einfach zu finden sind."

Kommunikationswissenschaftler Prof. Christoph Neuberger spricht in diesem Zuge von einem "Ende des 'Gagekeeper-Zeitalters'" und beschreibt professionelle Online-Angebote als "teuer, weil eine Redaktion unterhalten werden muss, die kontinuierlich Nachrichten sammelt, auswählt, präsentiert und kommentiert." Wegen der immensen Kosten sei das technische Potenzial des Internets - Multimedialität, Interaktivität (...) noch kaum ausgeschöpft. Und im Resultat die Hoffnung auf einen völling neuen Journalismus bislang enttäuscht worden.

Die Entwicklung hat sich sogar ins Gegenteil verkehrt. Mangels notwendiger Investitionen, die in Online-Redaktionen fließen und einem parallel stark steigenden Online-Werbemarkt klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, der die Werkkanon-Autoren einen üblen Nachgeschmack prognostizieren.

Haben Tageszeitungen zunächst das Feld der Rubrikenmärkte in Print verloren und in Online verpasst aufzubauen - teils aus Angst vor Kanibalisierung - so stehen nun mobile.de, ebay und andere No-Names an der Spitze der Entwicklung.

Dass eines Tages die Informationshoheit in die Diskussion gerät, hätten sich viele Publisher jedoch nicht träumen lassen. Noch belächeln Altgesottene und Besitzstandswahrer neue Formen im Netz als unjournalistisch und fühlen sich sehr sicher in ihren etablierten Positionen. Ignorieren gar, dass ihnen Leserschaft und Einfluss schwinden und sie im Netz schon viel mehr Rezipienten erreichen können. Spätestens wenn ihnen aufgrund solch arroganten Verhaltens die wirtschaftliche Existenz entzogen wird, dürfte jedoch ein Umdenken einsetzen.

Daher werden die im Job überleben, die den Leser in den Fokus rücken und nicht ihr Ego. Die, die wandlungsfähig in Bezug auf das Entstehen neuer Mediengattungen und -kanäle sind. Und die, die bei wandlungsfähigen Herausgebern und Verlegern angestellt sind.

Wie Robin Meyer-Lucht schreibt, in dem er Jürgen Habermas zitiert: "Der Markt funktionier(t) als Bühne der politischen Öffentlichkeit nur so lange, wie die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten nicht in die Poren der kulturellen und politischen Inhalte eindringen."

Eine spannende Frage wird sein, ob dies Wirtschaftsjournalisten, die tagein, tagaus über Strukturwandel von Kohle zu Dienstleistung berichten, diese (Medien-)Revolution als Protagonisten treiben oder aus Sturheit auf der Strecke bleiben. Dabei darf nicht vergessen werden: Das Netz ist ein etabliertes Informationsmedium. Es ist nicht neu. Doch agieren einige so, als sei es ein vorübergehendes Phänomen.

Dienstag, 22. Mai 2007

Dünne Suppe und Boulevard

Das Leitmedium Spiegel Online verdankt seinen Erfolg unter anderem der Hinwendung zum (Edel-)Boulevard. Heute findet sich auf einem Aufmacherplatz mal wieder besonders dünne Suppe - ein schönes und typisches Beispiel, was offenbar Klicks und Quoten bringt: Paula Abdul stolpert über einen Chihuahua.

Montag, 21. Mai 2007

Manipulation im Mitmachnetz und Oralsex

Spannender Beitrag auf Spon zum Thema: Verzerrung durch Klicks. Hier erfährt man viel über die vermeintliche Zuverlässigkeit der Pageimpressions als Gradmesser für Qualität und Wertschätzung eines Beitrags sowie die vorgebliche Intelligenz maschinengesteuerter Newssites. Und es ist ein Lehrstück über die vorgebliche Weisheit des Schwarmgeistes und die Klugheit der Massen. Fazit des Spiegel-Autors: "Popularität nährt sich selbst"...

PS: Was mir noch ein Anliegen ist, obwohl mehr als eine Woche alt (habe es vor dem Urlaub nicht mehr geschafft zu posten), ist diese Meldung "Oralsex kann zu Kehlkopfkrebs führen". Diese irrelevante und vermutlich pseudo-wissenschaftliche Geschichte konnten wir auf den führenden Websites rauf und runter lesen: hier und da und auch dort - quasi überall und auf den besten Plätzen. Bei gewissen Reizwörtern, in unserem Fall Sex, findet das Online-Medium eben zu sich - selbst die Internetangebote seriöser Muttermedien schreiben den Unsinn erst einmal auf und bringen später das Dementi. Verschweigen von Anfang an wäre besser gewesen...

Freitag, 18. Mai 2007

Wir sagen Dankeschön!

Liebe Werkkanon-Leser,

sicher habt Ihr Euch gewundert, dass in den vergangenen Tagen im Blog wenig passiert ist. Das lag an unglaublichem Zuspruch und toller Resonanz auf unsere Studie. Die Studie wurde diese Woche an zahlreiche Unis, Chefredakteure, Medienleute in gedruckter Form versendet und seitdem ernten wir eine ganz tolle Resonanz. Allen, denen wir noch nicht persönlich für ihre dankenden, beglückwünschenden oder auch kritischen Zeilen geantwortet haben, sei hiermit offiziell ein Dankeschön ausgesprochen. Wir haben damit unser Ziel erreicht, eine Diskussion über Qualitätsjournalismus im Netz anzuzetteln. Wir freuen uns auch ganz besonders, dass die medien-nahe Blogosphäre - sprich die Blogs, die sich mit der Medienszene beschäftigen - unsere Studie diskutieren. Nicht ausschließlich mit Zuspruch, aber immer sachlich und vorwärtsgerichtet - und darauf sind wir ehrlich gesagt sehr stolz. Hier im Werkkanon-Blog gibt es aber auch bald schon wieder neuen Lesestoff - bis dahin: Ein sonniges Wochenende!

Steffen und Roland

PS: Wer eine gedruckte Version anfordern möchte, kann dies direkt tun auf den Seiten der Friedrich-Ebert-Stiftung. Einzelexemplare des Gutachtens können kostenlos online hier abgerufen werden:
Bitte mit dem Stichwort: Range

Bestellt werden kann auch per E-mail an: Presse@fes.de, Bestellnummer: Puma 6054

Und das als PDF-Dokument könnt Ihr einsehen unter: www.fes.de/medienpolitik

PPS: Auf der FES-Website gibt es auch die Pressemitteilung zur Studie, die die Stiftung vergangene Woche versendet hat.

Donnerstag, 10. Mai 2007

Quiz bringt Klicks

Ich schätze die "Zeit", vor allem seit di Lorenzo sie modernisiert und den Staub rausgeschüttelt hat. Leider bedient sich das ansonsten aufgeräumte Internetportal derselben Taschenspielertricks, die alle anwenden, um ihre Klicks zu steigern. Heute auf der Homepage prominent platziert - ein Memory (-;

Bin gar nicht humorfrei. Und das eine oder andere Game gehört sicher zum Themenmix. Mich umtreibt nur, dass redaktionsferne Spiele/Bildergalerien/Wissenstests/Tools/Tarifrechner in den Internetredaktionen inflationär verwendet und stillschweigend vergötzt werden - nach dem Motto "Verschont die Leute mit Texten, Spiele bringen die Klicks..."

Kühne Behauptung? Überhaupt nicht. Haben wir über Monate untersucht...

"Noch erfolgreicher sind Gewinnspiele oder Rätsel. Virtuelle Adventskalender beispielsweise, die Dutzende Klicks erfordern, bis der Nutzer das richtige Törchen trifft, erweisen sich als Klickmaschinen und haben vielen Angeboten schon die Reichweite gerettet. Zur Klickkosmetik trägt daher im Alltag der Redaktionen der ausufernde Einsatz von Rätseln wie beispielsweise Sudoku bei. Solche Tests sind offenbar so erfolgreich, dass "Spiegel Online" im Herbst 2006 die "Rätselwochen" ausgerufen hat." (S. 65)

Ich weiß, ich ereifere mich immer wieder darüber und sage erstmal nix mehr dazu. Ceterum censeo Carthaginem esse delendam (-;

Mittwoch, 9. Mai 2007

Spiegel Online boomt - finanziell

Spiegel Online wird in Zukunft vermutlich noch mächtiger, weil der Spiegel-Verlag massiv ins Internet investieren will - damit dürfte Spon den Abstand zur Branchenkonkurrenz weiter ausbauen. Und der ist ganz schön groß wie die neuen IVW-Zahlen zeigen.

Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lehnte sich der neue Spiegel-Geschäftsführer Mario Frank weit aus dem Fenster: "Wir werden massiv in den "Spiegel" und massiv ins Internet investieren. Weil wir glauben, dass der Printmarkt schrumpft - das ist seit Jahren so und betrifft nicht vorrangig den "Spiegel" (...) Aber es ist unübersehbar, dass es dort zurzeit kein Wachstum gibt. Im Internet ist es umgekehrt: Da explodieren die Zahlen, auch aufgrund des gesellschaftlichen Strukturwandels. Wer sich darauf nicht einstellt, der wird ein Problem kriegen. Wir nicht: "Spiegel Online" hat im ersten Quartal dieses Jahres sechzig Prozent mehr als im Vorjahr an Anzeigenumsätzen erzielt. "Spiegel Online" wird dieses Jahr einen größeren Anzeigenumsatz verbuchen als das manager magazin. Man müsste sich schon Augen, Ohren und Nase zuhalten, um diese Entwicklung zu verkennen."

Fundsache: Zeitung vs. Internet

Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG (und mein oberster Chef), Mathias Döpfner, hat davor gewarnt, Printmedien und Internet gegeneinander auszuspielen.
"Das Internet ist nicht die neue Zeitung", sagte Döpfner vorgestern in Hamburg. Es werde weder das Fernsehen noch die Zeitung ersetzen. Mit "exklusiven Neuigkeiten, eigenständigen Meinungen und einer eindringlichen Sprache" könnten Zeitungen ihre Stärken gegenüber dem Internet-Journalismus ausspielen. "Die Zeitung muss sich auf sich selbst, auf ihre Stärken besinnen, denn das Bedürfnis nach Orientierung wächst", sagte Döpfner.

Mit seiner Forderung hat Döpfner nicht ganz Unrecht. Leider erscheint es derzeit aber so, dass viele Zeitungen - angespornt durch Readerscan und das Schielen auf Klickstatistiken - genau den umgekehrten Weg beschreiten und die Einschaltquote und den Massengeschmack zum Maß aller Dinge machen... siehe unsere gerade erschienene Studie.

Im übrigen behaupten wir Printredakteure seit Jahr und Tag, dass genau das Bedürfnis nach Orientierung und Einordnung der Zeitung ihren Bestand garantiere. Was, wenn eines Tages ein kluges Nachrichten-Internetportal sich ebenfalls darauf besinnt, nicht nur auf Crap und Fun und Bildergalerien und Rätsel zu setzen? Dann wäre der angebliche USP der Zeitung futsch.

Dass die Nutzer das Bedürfnis nach Orientierung haben und (Print-)Journalisten zugestehen, ihnen dafür besonders probate Leitplanken zu bieten, hoffe ich zutiefst. Ich bin aber immer noch auf der Suche nach der ultimativen wissenschaftlichen Studie, die das belegt und die zeigt, dass jungen Lesern die aufgeladene und glaubwürdige Zeitungsmarke wirklich wichtiger für die schnelle Info ist als ein x-beliebiges Unterhaltungsportal. Für das Gegenteil gibt es leider mehr Studien und Beweise - siehe das kluge Buch von Philip Meyer: The Vanishing Newspaper.

Montag, 7. Mai 2007

Rütteln am Denkmal der Zeitung II

Wahlen - wie jetzt die Präsidentschaftswahl in Frankreich - zeigen immer besonders dramatisch, welchen Bedeutungsverlust die Tageszeitung erlebt. Und wie überholt die Zeitung aus Papier als Trägermedium ist. Vor allem, wenn sie früh angedruckt wird und erst am Dienstag ausführlich über ein Ereignis berichtet, das online schon am Sonntag abend abgefeiert wurde.

Das übliche Fluchtargument in den Print-Redaktionen ist, dass die Zeitung dafür eine besondere Tiefe biete, Aspekte aus interessanten Perspektiven beleuchte und komplexe Themen wie Wahlen grafisch besonders ansprechend aufbereite.

Erstens stimmt das für die meisten Zeitungen angesichts knappen Personals und Zeitmangels in den überlasteten Redaktionen schon lange nicht mehr. Zweitens aber - wenn man ganz ehrlich ist - ist einer umfassenden Berichterstattung wie der in Spiegel Online - mit Flash-Karte, Porträt des Wahlgewinners, Bildergalerie - nichts mehr hinzuzufügen. Schlechte Aussichten für herkömmliche Zeitungen mit einem verbeamteten Redaktionsschluss - oder Munition für hochaktuelle Blätter wie Welt Kompakt, die erst um Mitternacht zumachen.

Wollen wir wetten, dass die meisten Zeitungen uns morgen eine altbackene Wahlberichterstattung präsentieren, so als gäbe es die Konkurrenz aus dem Web nicht?

Sonntag, 6. Mai 2007

Lesenswert: Rütteln am Denkmal der Zeitschriften

Süddeutsche.de hat eine ganz bemerkenswerte Analyse zum Medienmarkt veröffentlicht, die allerdings aus der Feder der Redakteure von "Werben & Verkaufen" (Titelstory, Anm. v. Werkkanon) stammte. Anlass dafür war, dass Gruner + Jahr plötzlich seinen Titel "Woman" eingestellt hat.

Einige Zitate aus der Story, die auch die Ergebnisse unserer Studie exemplarisch untermauern:

"Der Nachwuchs (jüngere Zielgruppen, Anm. v. Werkkanon) liest zwar, aber er tut es im Netz, eine Erfahrung, die beispielsweise auch Brigitte Young Miss machen musste. Als Printtitel rechnete sich das Blatt von Gruner + Jahr nicht mehr und wurde eingestellt. Im Internet aber führt es eine vitale Existenz."

Weiter heißt es, dass das Medium Online für die Werbewirtschaft einige Vorteile biete. Dazu zähle – neben der Messbarkeit – auch die durchlässige Grenze zwischen Inhalten und Werbung. Im Web könne Werbung völlig ungestört den Content beeinflussen, den User interessiere das wenig.

Und Medienwissenschaftler Norbert Bolz folgert in der W&V/Süddeutsche.de-Story: Es sei wichtig für die ,alten‘ Medien, sich auf ihre eigenen Stärken zu besinnen“. Print-Magazine hätten den Vorteil, dass sie als Genuss-Medium fungieren könnten. „Wo Lesen Genießen ist, ist Online keine Konkurrenz.“

IDG-Gründer Pat McGovern bläst in dieser Hinsicht viel lauter ins Horn. Ebenfalls in einem Interview mit dem Branchenblatt "Werben & Verkaufen" heißt es: "Ich gehe davon aus, dass der Online-Bereich schon 2009 bis zu 50 Prozent des Gesamtumsatzes (des IDG-Verlages, Anm. v. Werkkanon) ausmacht. Print wird dann auf etwa 35 Prozent abgesunken sein."

Dass der Online-Markt noch gewaltige Wachstumsmöglichkeiten hat, zeigt sich, wenn man das momentan aufgewendete Werbebudget ins Verhältnis zur Zahl der Online-Nutzer setzt. Der Anteil an der Mediennutzung beträgt 14,6 Prozent, der Anteil am Werbekuchen nur 8,7 Prozent. Der Online-Vermarkterkreis im BVDW wertet dies als immenses Potenzial und prognostiziert, dass die Werbeausgaben innerhalb von kurzer Zeit aufschließen werden. Aussagekräftiges Zahlenmaterial hat der Online-Vermarkterkreis jüngst in seinem Periodikum zusammengestellt: Seite 9f., PDF.

Wenn Printler plötzlich Online entdecken

Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen.

Die zur Axel Springer AG gehörende Zeitungsgruppe Welt/Berliner Morgenpost hat vor rund einem Jahr eine Online-Offensive proklamiert und vor einem halben Jahr eine „Online first“ per Pressemitteilung ausgerufen. „Als erstes großes Zeitungshaus bündelt Axel Springer Print und Online in einer Redaktion und schafft damit zugleich die größte integrierte Zeitungs- und Online-Redaktion Deutschlands“, verkündete das Medienhaus vor Jahresfrist. Der mit der Leitung betraute Welt am Sonntag Chefredakteur Christoph Keese rechtfertigte diesen Schritt: „Moderne Medien sind erfolgreich, wenn sie ihre Leserinnen und Leser über alle Kanäle erreichen, die technisch verfügbar sind.“

So weit - so richtig, wenn dies denn vernünftig vorbereitet und durchgeführt wird.

Online-Angebote werden heute häufig entweder unter direkte organisatorische Führung von Print-Mannschaften gestellt oder von bewährten Führungskräften aus den Printredaktionen geleitet. Die Verlagsleitung verspricht sich davon die Einheitlichkeit des Markenauftritts, eine bessere Zusammenarbeit mit der Printredaktion, eine höhere Kompetenz bei der Einordnung von Nachrichten sowie Einsparungen. Die neuen Strategien der Verlage zielen auf eine engere Zusammenarbeit von Online und Print ab. Gute Gründe, doch hapert es oft in der nachhaltigen Umsetzung.

Die Verzahnung von Print und Online wirft neben kürzeren Wegen auch Probleme auf; insbesondere wenn unter Federführung von Printredakteuren konkrete Handlungsanweisungen resultieren, die dem Online-Medium und der Redaktionsstärke nicht gerecht werden.

Wir hören aus zahlreichen Redaktionen, dass viele Führungskräfte Probleme damit haben, den mit neuen Features verbundenen Arbeitsaufwand realistisch zu antizipieren. Die Einteilung journalistischer Ressourcen und Schwerpunktsetzungen erfolgt vielfach vor dem Hintergrund bewährter Printerfahrungen.

Auf dieses Phänomen wird schon länger in der Forschung hingewiesen: „Das in den klassischen Massenmedien angesammelte Wissen über gut funktionierende Produktionsstrukturen und –werkzeuge reicht offenbar nicht aus. Sie lassen sich auf Online-Medien – das zeigen die Beobachtungen in den Redaktionen – offenbar nicht eins-zu-eins übertragen und müssen für dieses neuartige Medium erst gewonnen werden“, schreibt zum Beispeil BARTH 2004 - der Literaturhinweis ist unserer Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung zu entnehmen.

In vielen uns bekannten Redaktionen erheben Chefredakteure zunächst vergleichbare Forderungen, wenn Online unter ihre Aufsicht gerät. Artikel aus Print – vor allem solche, die nach vorherrschender Meinung als hochwertig angesehen werden – sollen online prominenter zugänglich gemacht werden. Printredakteure sollen stärker in die Online-Produktion einbezogen werden und vor allem exklusive Nachrichten mit kurzer Halbwertzeit direkt auf den Draht geben. Printredakteure sollen Weblogs schreiben.

Das ist grundsätzlich gut. Wenn es die Mitarbeiter nicht in vielen Teilen überfordert. Und: Wenn die Mitarbeiter ausreichend für das Online-Medium ausgebildet werden.

Viele eingangs formulierte Forderungen bleiben utopisch – oder erweisen sich als kontraproduktiv für die Entwicklung von Qualität und Reichweite. Viele Artikel, die Printredakteure als gehaltvoll empfinden, sind online entweder gar nicht und nur nach vorhergehender umfassender Überarbeitung verwendbar, etwa Sonderseiten mit vielen Grafiken, oder sie treffen nicht den Geschmack des Publikums.

Eigentlich sollten sich klassische Printler darüber freuen, zeigt dies doch, dass Online und Print komplementäre Medien sind und daraus resultierend eine gut gemachte und hintergründige, einordnende Zeitung auch morgen noch ihre Bestandsberechtigung hat.

In der Praxis richten die Redaktion ihre Kraft häufig auf Maßnahmen, die zur Verbesserung des Internetangebotes und zur Vergrößerung der Reichweite nur wenig beitragen. Ressourcen der Redaktion werden überdehnt.

Das Ansinnen, Printredakteure zum Schreiben im Online-Medium zu bewegen, vor allem Weblogs zu führen, bringt in 90 Prozent der Fälle weder in nennenswertem Umfang Leser noch Reputationsgewinn, doch demotiviert und belastet es viele Printredakteure. Der Arbeitsumfang wächst. Im Ergebnis resultieren lustlos geführte, inaktuelle Weblogs. Oder die Neuausrichtung kommt über Absichtserklärungen und Pilotprojekte nicht hinaus. Nichts halbes und nichts Ganzes, wie gepenstisch im Wochentakt geführte Weblogs zeigen...

Einige folgerichtige Schritte könnten hingegen den Medienstrukturwandel in Verlagen beschleunigen:

Warum werden Online-Ressortleiter nicht in die assoziierte Chefredaktion berufen, um dem angekündigten Strukturwandel glaubhaft Rechnung zu tragen?

Warum werden Weblogs als Einbahnstraßen genutzt? Viele Weblogschreiber stellen ihre Artikel ein und sehen ihren Job damit als erledigt an. Erst aus dem Feedback, dem Beantworten der Kommentare und dem gegenseitigen Verlinken aber gewinnen Blogs ihre Berechtigung und Werthaltigkeit. Ansonsten hätte man ja auch einen klassischen Kommentar auf die Website stellen und auf Leserbriefe warten können...

Werden Print-Redakteure ausreichend geschult und einbezogen? Inwieweit gibt es Schulungen für onlinegerechte Schreibe? Kurze, präzise Sätze, aussagekräftige Überschriften und all das, was an Lehrstühlen für Online-Journalismus gelehrt wird?

Dies gilt insbesonder für die Verantwortung für ein Weblog. Wenn Ihr Kommentare wollt, lasst die Kollegen Kommentare schreiben. Wenn Ihr Weblogs haben möchtet, so lehrt die Kollegen, dass sie damit in den permanenten Austausch mit dem Leser gelangen müssen, damit ihr Weblog glaubwürdig wird. Dass sie Kommentare ausführlich beantworten, einordnen und sich mit anderen Blogs verlinken müssen. Ansonsten laufen diese Formate ins Leere. Und damit wird auch die damit verbundene Kraft verschwendet, denn ein Blog schafft dann Relevanz und Reichweite, wenn es zu einer Diskussion führt.

Und im Rückschluss: Wer macht sich Gedanken, wie Themen crossmedial gespielt werden können, so dass das Nachrichtliche Online stattfindet, aber am Folgetag die Leser auf der ersten Zeitungsseite kein déjà-vu-Erlebnis erfahren, sondern ein Lesestück dargeboten bekommen, dessen Konsum in der gedruckten Fassung bei Brötchen und Kaffee einfach Spaß macht? Themen planen und Themen crossmedial setzen - diese Fähigkeiten sind gefragt. Das würde beiden Medien helfen, erfordert aber tagtäglich eine systematische Vorbereitung dieser Themenführerschaft und keinen Aktionismus.

Werkkanon sagt dazu: Lasst den Ankündigungen Taten folgen - aber so, wie man es auch bei der Einführung neuer Publikationen macht: Nach gründlicher Vorbereitung, mit schlüssigen Konzepten und mit Ressourcen, die dies auch bewältigen wollen und können.

PS: Konsequenzen, die zahlreiche Verlage bei ihrer Internet-Strategie vermissen lassen, zeigt auch Handelsblatt-Chefredakteur Bernd Ziesemer in seinem Weblog auf. Dort heißt es: "Mal verschleuderten die Verlage Millionen, mal waren „schwarze Zahlen“ im Internet-Geschäft das alleinseligmachende Ziel, mal stand das Internet ganz hinten an, mal verkünden alle vollmundig „Internet first!“ Konsequenz gab es leider selten." Zu lesen hier.

Freitag, 4. Mai 2007

Magie der Hitlisten

Wir haben behauptet, dass Klicks in den meisten Nachrichtenportalen unter anderem durch eine Flut an Hitlisten erzeugt werden und u. a. geschrieben:

"Die Orientierung am Massengeschmack bewirkt eine Uniformität der Websites. Texte drehen sich immer um dieselben Themenkomplexe (...) Diese Einheitlichkeit und Eintönigkeit der Präsentation geht einher mit einer Gleichförmigkeit der Textauswahl, die sichere Klickerfolge verspricht: (...) die 100 reichsten Menschen, die zehn schönsten Frauen, Nutzwert, Liebestipps, Bewerben – aber richtig, Fettnäpfchen beim Bewerbungsgespräch und Knigge in allen Varianten versprechen stabile Reichweitenerfolge, so dass diese Beiträge in allen Spielarten zu finden sind".

Willkürliche Kostprobe vom heutigen Abend: Prominente - das sind die 100 wichtigsten im Land, Die 100 einflussreichsten Personen der Welt, Webby Awards 2007: Gute Seiten, auch gute Seiten, Die drei beliebtesten Clubs

Solche Hitlisten sind immer Klickgaranten. Habe mich schon oft gefragt, warum die Rankings immer ganz oben landen im Klickmonitor, selbst wenn sie hanebüchen sind. Vermutlich, weil sie das vorgaukeln, was man dem Journalismus als Königstugend noch immer zuschreibt (und was unter Zeitdruck in den Redaktionen, der Last der detailverliebten und newsgetriebenen Tagesaktualität oder verbuscht in zu tiefer Fachkenntnis kaum mehr geschieht): Einordnung und absolute Gewissheit bieten.

Donnerstag, 3. Mai 2007

Sex sells...

Stern.de hat heute eine Glanzleistung vollbracht. Eva Longoria - Von Fesselspielen und String-Tangas titelt die Redaktion in der Rubrik Lifestyle und Reise. Die von DPA übernommene Meldung fördert sodann auch unglaublich Überraschendes zutage:

Bald werde der "Desperate Housewives"-Star heiraten.

Okay, das mag eine Nachricht sein.

Nun habe sie einer Zeitschrift erzählt, wie sie sich das Sex-Leben in der Ehe vorstelle.

Das verspricht Spannung pur.

Sie lasse sich gern mit Seidentüchern festbinden, sagte die 32-Jährige der Meldung zufolge dem People-Magazin "InTouch".

Mannomann. Das ist ja mal neu und ausgefallen. Wahnsinn.

Um für ihren Zukünftigen sexy zu bleiben, trage sie ausschließlich String-Tangas. Sie besitze keine einzige Unterhose mit Rückseite.

Vielleicht sollte sich die Dame mal einer professionellen PR-Agentur anvertrauen, die ihr erzählt, dass das seit fünf Jahren 85,79 Prozent aller Frauen so machen und dass das daher nicht sooooo ganz besonders innovativ ist?

Aber weiter, gleich kommt's bestimmt:

Angetan sei Eva Longoria abgesehen von ihrem Verlobten von George Clooney und Johnny Depp.

Spätestens da haut's einen doch völlig vom Hocker.

Leute, Leute, wenn schon eine Meldung, die ein so dermaßen dünnes Süppchen ist, dann macht die doch wenigstens durch zwei spannende weitere Abschnitte etwas schmackhafter, in denen Ihr noch ürgendwat Spannendes dranrecherchiert.

Ach übrigens: Knut geht es gut, denn das Eisbärbaby hat jetzt auch bei den Öffentlich-Rechtlichen seine virtuelle Heimat gefunden.

Mittwoch, 2. Mai 2007

Mal wieder Politik auf Spon

Spiegel Online begleitet die französischen Präsidentschaftswahlen mit einem schönen Livestream des Fernsehduells, einem interaktiven "Ted", bei dem man die Argumente der Kandidaten bewerten kann und einer - etwas dünnen, aber lobenswerten - Einordnung durch einen Journalisten. Im Prinzip gut! Das können Zeitung und Fernsehen so nicht. Hier spielt das Web seine Stärken aus.

Leider - sicher um die wegbrechenden Quoten wegen der Frankreich-Wahl zu kompensieren (-; - auch wieder eines dieser unvermeidlichen Ratespiele auf einem Aufmacherplatz, diesmal geht es um das weitgehend sinnfreie Überflieger-Quiz.

Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, ist ja beinahe einer unserer Evergreens: Wissenstests aller Art sind einer der Stützpfeiler der Newsportale, um Klicks zu generieren. Wirkungsvoll, bisweilen etwas hohl. Das Phänomen haben wir auch mit einem extra Kapitel bedacht in unser Studie für die Ebert-Stiftung.

"Selbst ohne aktuellen Anlass, ziehen Redaktionen gern zeitlose und irrelevante Meldungen auf einen Aufmacherplatz – bloß um das angehängte Quiz prominent einführen zu können. Sie betreiben also Reichweitenmanagement statt Themenführerschaft zu verfolgen." (S. 66). Quod erat demonstrandum.

Focus Online postet auf Twitter.com

Linkspam für Relevanz der eigenen Site oder intelligenter Kanal? Die Meldungen von Focus Online erscheinen neuerdings auch auf Twitter.com. Die Pressemitteilung dazu gibt's hier.

Die Nutzer des Dienstes schreiben dort - zumeist in Wort- oder Satzfetzen, was sie gerade umtreibt. Auch New York Times und BBC News vertreiben dort ihre Schlagzeilen.

Nachtrag: Der Aktionismus, der aktuell einige Redaktionen umtreibt, wird sehr treffend beschrieben im Ad-hoc-Blog von Julius Endert... Enjoy!